(ots) - Bildungsstreit in Niedersachsen: Hurrelmann
kritisiert Lehrer für Einstellung von Klassenfahrten
Forscher verlangt bundesweite Angleichung der Arbeitszeiten -
Philologen sehen "starkes Zeichen"
Osnabrück. Der Bildungsforscher Klaus Hurrelmann sieht in der
Entscheidung niedersächsischer Lehrer, Klassenfahrten und
Schulausflüge aus Protest gegen Mehrarbeit bis auf Weiteres
einzustellen, einen massiven Qualitätsverlust für den Unterricht. In
einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag) sagte
der renommierte Wissenschaftler, "man lernt in der Schule nicht nur
mit dem Kopf". Es gehe auch um das gemeinschaftliche Erleben und das
Miteinander: "Das sozial-kognitive Lernen hat ungeheure Bedeutung."
Das Vorgehen der Gymnasiallehrer wertete der Bildungsexperte als
"Quasi-Streikverhalten" der größtenteils verbeamteten Pädagogen, dem
"mit schulrechtlichen Mitteln kaum beizukommen ist". Das Vorgehen
wurde "so gewählt, dass es Schülern und Eltern nicht gefällt, um sie
gegen die Landesregierung zu mobilisieren".
Mit Blick auf die verschiedenen Unterrichtszeit-Maßgaben in den
Bundesländern plädierte Hurrelmann für eine Angleichung. "Die 16
Bundesländer wären gut beraten, über die Kultusministerkonferenz zu
einer einheitlichen Regelung zu kommen", so der Wissenschaftler. "Das
würde Ruhe hineinbringen." Auch im Hinblick auf die Gleichwertigkeit
der Oberstufen in verschiedenen Schulformen müssten die Fragen nach
unterschiedlicher Besoldung, Qualifikation oder Arbeitszeit der
Lehrkräfte beantwortet werden. Derzeit drehe sich die Debatte
lediglich "um den Abbau von Privilegien".
Hingegen bewertete der Deutsche Philologenverband die um sich
greifenden Lehrerproteste in Niedersachsen gegen die Erhöhung ihrer
Pflichtstundenzahl als "starkes Zeichen". Der "Neuen Osnabrücker
Zeitung" (Donnerstag) sagte Verbandschef Heinz-Peter Meidinger,
Reaktionen wie die Aussetzung von Klassen-und Studienfahrten seien
absolut verständlich. Es gehe dabei um die Streichung bisher
freiwillig erbrachter Zusatzleistungen. Auffallend sei die große
Übereinstimmung der unterschiedlichen Lehrerverbände. Meidinger warf
der Landesregierung vor, im "Hauruckverfahren" die
Arbeitszeitverlängerung durchsetzen zu wollen. "Besser als
Grabenkämpfe sind Gespräche", gab Meidinger zu bedenken. Zu
überprüfen sei, ob zum Beispiel eine Befristung der
Arbeitsverlängerung einen Ausweg bedeuten könne.
Der Bundesvorsitzende des Philologenverbandes nannte es "höchst
bedauerlich", dass die Schüler die Leidtragenden der unnachgiebigen
Haltung des Landes sein sollten. Sie würden durch den Fortfall von
Klassenreisen einer "schönen Erfahrung im nicht immer
abwechslungsreichen Schulleben" beraubt.
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