(ots) - "Biozidhaltigen Farbanstrichen schon heute rote
Karte zeigen"
Eigentlich hätte das Problem am 14. Mai des kommenden Jahres vom
Tisch sein sollen: Nach dem Wunsch des Europäischen Parlaments sollte
bis zu diesem Tag per Umwelt- und Gesundheitsbewertung feststehen,
welche alten bioziden Wirkstoffe noch zugelassen sind - und welche
eben nicht. Biozide werden unter anderem in Farben verwendet, um etwa
Schiffsrümpfe gegen unerwünschten Bewuchs zu schützen. Doch diese
Frist ist nun bis Ende 2024 ausgeweitet - mit der Konsequenz, dass
die möglicherweise gesundheitsschädigenden Produkte bis dahin weiter
auf dem Markt bleiben dürfen. "Das darf aber kein Freibrief dafür
sein, diese Farben auch weiterhin zu verwenden", mahnt Dr. Heinrich
Bottermann, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt
(DBU): "Es gibt ökologische Alternativen, mit denen wir
ernstzunehmende Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt ausschließen
können. Biozidhaltigen Farbanstrichen müssen wir schon heute die rote
Karte zeigen!"
Wenn Schiffe sich durch die Wellen "kämpfen", "dampft" das
Umweltrisiko häufig mit. Damit sich Muscheln und Algen an den Rümpfen
nicht festsetzen, werden sie fast flächendeckend mit giftigen
Unterwasseranstrichen "auf Stromlinie" gebracht: Das lässt sie
reibungsloser gleiten und Sprit sparen, sie belasten dadurch aber
auch die Gewässer. Die Auswirkungen der Biozide - chemische oder
biologische Wirkstoffe, die Organismen zerstören, unschädlich machen,
Schädigungen durch sie verhindern oder sie in anderer Weise bekämpfen
sollen - auf Wasserlebewesen sind "inakzeptabel", so Bottermann.
Um das ungewollte Besiedeln von Rümpfen durch Tiere, Pflanzen und
Mikroorganismen zu verhindern, seien in der Vergangenheit
biozidhaltige Antifouling-Farben verwendet worden, metallhaltige
Breitbandgifte (z.B. Tributylzinn, TBT), die die anhaftenden
Organismen abtöteten. Doch diese "hochgiftigen Substanzen" hätten
auch hormonelle Wirkung auf Wasserlebewesen entfaltet und seien
schließlich 2008 verboten worden, auch auf Basis von
DBU-Modellprojekten mit dem World Wide Fund For Nature (WWF) und
Partnern.
Ökologisch nicht viel unbedenklicher seien allerdings auch die
TBT-Alternativen, die für private Yachten und Sportboote bis heute
verwendet würden: hochwirksame kupferhaltige Anstriche, die aber
Wasserorganismen ebenfalls schädigen könnten. Rund 668 Tonnen dieser
Wirkstoffe würden jährlich in der Europäischen Union produziert. Und
Sportboote würden im Gegensatz zu Groß-Schiffen wenig bewegt, so dass
sich das Gift mit "weitreichenden Folgen für Wasser und Umwelt
überwiegend in vielfältig und unterschiedlich genutzten Häfen,
Marinas und Seen konzentriert und anreichert, die zur Erholung und
Trinkwassergewinnung oder für den Fischfang dienen". Der Gebrauch
dieser Anstriche für Yachten und Sportboote sei heute deshalb
national schon in einigen Regionen verboten. International hätten
erste Staaten bereits entsprechende Verordnungen erlassen bzw.
bereiteten sie vor.
"Den Giftcocktail muss aber schon heute niemand mehr nutzen, der
nicht die Umweltprobleme der Gegenwart zukünftigen Generationen vor
die Füße kippen will", betont Bottermann und zeigt einige
Alternativen auf, die von der DBU gefördert wurden und auch bei der
"boot" in Düsseldorf vom 18. bis 26. Januar präsentiert werden. So
hat die Hochschule Bremerhaven mit der Firma IPT (International Port
Technology, Bremerhaven) und der Wohlert-Lackfabrik (Ritterhude) eine
umweltschonende Beschichtung für Boote entwickelt und eine
Bootswaschanlage so umkonstruiert, dass bei regelmäßigen
Reinigungsarbeiten anfallende Abfallstoffe aufgefangen werden
könnten. Und auch MAReCOAT (Oberndorf) habe ein umweltfreundliches
Antifoulingsystem für Sportboote neu entwickelt. Die Firmen LimnoMar
(Hamburg), Nordseetaucher (Ammersbek) und Panadur (Halberstadt) haben
verschiedene mobile Reinigungsverfahren auf ihre Einsatzmöglichkeiten
und ihre Eignung für Süß- und Salzwasser erfolgreich getestet.
Diese, aber auch zahlreiche andere Beispiele zeigten, dass
Antifouling-Farben mit biozidhaltigen Wirkstoffen als Schutz vor
unerwünschten Rumpfbewuchs keine Alternative seien. Bottermann:
"Wasser ist ein unverzichtbares Gut: als Ernährungs- und
Energiequelle, als Lebensraum für viele Pflanzen- und Tierarten. Für
unsere Gesundheit und unsere Ernährung ist sauberes Wasser in
ausreichender Menge von elementarer Bedeutung. Das dürfen wir nicht
leichtfertig aufs Spiel setzen."
Hinweis an die Redaktionen: Die DBU präsentiert Projekte zum
Themenschwerpunkt bei der "boot" in Halle 11 (Stand Nr. A 30). Am 20.
Januar von 12 bis 13 Uhr veranstaltet die DBU am Messestand ein
Podiumsgespräch "Biozidfreie Sportschifffahrt". Am 21. Januar werden
beim Publikumstag kostengünstige und umweltfreundliche Methoden für
die Reinigung von Sportbooten praktisch demonstriert. Weitere
Informationen unter www.dbu.de/2292.html.
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