(ots) -
Sonntag, 16. Februar 2014, 0.05 Uhr
Precht
1914/2014 - Lernen wir aus der Geschichte?
Richard David Precht im Gespräch mit Prof. Dr. Christopher Clark,
Historiker und Bestsellerautor
Vor 100 Jahren brach der Erste Weltkrieg aus. Jahrzehntelang spielte
er im öffentlichen Gedächtnis der Deutschen kaum eine Rolle. Der
Horror des Zweiten Weltkriegs verdeckte die kollektive Erinnerung an
die erste "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts" (George F. Kennan),
die 17 Millionen Europäern den Tod brachte. Im Gedenkjahr 2014 ist
der Krieg in einer Flut von wichtigen Publikationen wieder
gegenwärtig geworden. Der Erste Weltkrieg ist mit seinen Folgen
aktueller für die Gegenwart als es scheint. Erst 2010 war er zum
Beispiel für Deutschland finanziell beendet, als endgültig die letzte
Rate der Reparationen beglichen wurde, die der Vertrag von Versailles
vorsah. Aktuell sind auch die Krisen und Kriege in Südosteuropa oder
dem Mittleren Osten, die durch willkürliche Grenzziehungen der Sieger
des Ersten Weltkriegs quer durch Völker, Ethnien und Religionen
entstanden sind und bis heute Konflikte provozieren.
Richard David Precht empfängt in seiner Philosophie-Sendung "Precht"
den renommierten Historiker, Bestsellerautor und Preußen-Kenner
Christopher Clark, um über die Folgen und die Lehren des Krieges zu
diskutieren. Und um die grundsätzliche Frage zu stellen: Ist es uns
möglich, aus der Geschichte zu lernen?
Der Erste Weltkrieg hätte nicht sein müssen, meint der
Cambridge-Professor Christopher Clark, der in seinem aktuellen
Geschichtsbestseller "Die Schlafwandler" ebenso detailreich wie
packend nacherzählt, wie Machtanmaßung, Engstirnigkeit und
Unnachgiebigkeit der europäischen Großmächte direkt in die
Kriegshölle führten. Clark relativiert damit nebenbei auch die These
von der alleinigen deutschen Kriegsschuld. Aber er sagt auch: "Unsere
Welt ähnelt immer mehr der Welt von 1914, eine beunruhigende
Entwicklung."
1914 symbolisiert die Zerreißprobe zwischen den Idealen einer alten
und einer völlig neuen Welt, die besonders durch ihre technischen und
sozialen Umwälzungen von vielen nicht verstanden und als Bedrohung
wahrgenommen wurde. Die politischen, wirtschaftlichen und sozialen
Systeme hatten eine Komplexität erreicht, die Besorgnis und
Desorientierung auslöste. Stehen wir also 2014 vor einem ähnlich
gelagerten Umbruch? Die totale digitale Vernetzung, implodierende
Geldsysteme, das scheinbare Ende des Wirtschaftswachstums und das
aggressive Aufbäumen der konservativen islamischen Welt lassen die
Vorstellung aufkommen, als stünden wir wieder an der Schwelle einer
Eskalation. Oder ist das alles nur ein vorschneller, modischer
Vergleich? Anlass genug, Christopher Clark zu fragen, ob eine
historische Aufarbeitung der Schlüssel-Ereignisse von 1914 uns helfen
könnte, ähnliche Katastrophen in Zukunft zu vermeiden.
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