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Zu wenig Ärzte, mangelhafte Pflegestrukturen, schlechte
Bildungschancen und eingeschränkte politische Teilhabe: Wer in NRW in
einem ärmeren Stadtteil leben muss, hinkt bei der sozialen Teilhabe
fast automatisch hinterher. Das kritisierte der Vorsitzende des
Sozialverbands VdK Nordrhein-Westfalen Karl-Heinz Fries heute in
Düsseldorf: "Insgesamt stellen wir in unserem Bundesland stark
divergierende Lebensverhältnisse fest. Speziell das Ruhrgebiet ist
mit seinen fünf Millionen Einwohnern und hochverschuldeten
Großstädten die Problemregion Nummer eins der Republik. Dort hat sich
in vielen nördlichen Stadtteilen Armut manifestiert. Die
Gesundheitsversorgung, der Bildungsstand, aber auch die
Lebenserwartung sind eher gering."
Vor rund 120 Gästen aus Politik, Verwaltung und sozialem Leben in
NRW führte Fries beim traditionellen Neujahrsempfang des
Sozialverbands VdK Nordrhein-Westfalen weiter aus: "Gerade die
Ärzteversorgung im Revier wie auch im ländlichen Bereich bereitet uns
große Sorge. Während wir in gut situierten Stadtteilen ein
Ãœberangebot an Medizinern beobachten, sind Armutsviertel
unterversorgt, auch weil dort eben wenige Privatpatienten wohnen.
Wenn wir die ärztliche Versorgung für alle gleichermaßen
sicherstellen möchten, muss endlich ein Ausgleich bei der räumlichen
Verteilung geschaffen werden." Das gelte in besonderer Weise für das
Ruhrgebiet, in dem sich nach dem Willen des Gemeinsamen
Bundesausschusses weit mehr Bürger einen Arzt teilen müssen als in
allen anderen Metropolregionen Deutschlands: "Die Bedarfsplaner haben
hier willkürlich einen geringeren als den normalen städtischen
Versorgungsgrad festgelegt. Diese Eingruppierung als 'Sonderregion'
gehört endlich abgeschafft", forderte der VdK-Landesvorsitzende.
Er ging in Hinblick auf die im Frühjahr anstehenden Kommunal- und
Europawahlen außerdem auf den Zusammenhang zwischen sozialer und
politischer Ungleichheit ein: "Immer mehr einkommensschwache und
bildungsferne Menschen ziehen sich aus unserer Demokratie zurück.
Dabei hat der Wohnort unmittelbare Auswirkungen auf die politische
Partizipation: In Stadtteilen mit hoher Arbeitslosigkeit und vielen
Hartz-IV-Empfängern liegt die Wahlbeteiligung rund zwanzig
Prozentpunkte niedriger als in Vierteln mit wohlhabenderen
Bevölkerungsschichten." Um diese alarmierende Entwicklung zu stoppen,
müssten sozial benachteiligte Menschen für die politische
Mitgestaltung zurückgewonnen werden. Für Menschen mit Behinderung
oder Leseschwäche sei darüber hinaus der Abbau von Barrieren im
Vorfeld und während der Wahl dringend notwendig. "Gelingt keine
Trendwende, verbleibt das Wählen bei einer gebildeten, gut
verdienenden Bevölkerungsschicht", mahnte Fries.
Guntram Schneider, NRW-Minister für Arbeit, Integration und
Soziales, sagte: "Armut, soziale Ausgrenzung und Ungleichheit haben
sich in der Tat in den letzten Jahren verfestigt. Und
Arbeitslosigkeit, unsichere Arbeitsverhältnisse oder Niedriglöhne
fördern die Armut - in jeder Altersgruppe. Deshalb haben wir in NRW
die Initiative 'Faire Arbeit - Fairer Wettbewerb' ins Leben gerufen -
so wollen wir beispielsweise die Leiharbeit fair gestalten und den
Missbrauch von Werkverträgen verhindern. Und deshalb habe ich mich
bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin auch ganz besonders dafür
eingesetzt, dass wir in Deutschland endlich den gesetzlichen
Mindestlohn bekommen. Denn dieser verbessert heute die Situation
vieler Geringverdiener und führt morgen zu höheren Altersrenten. Die
Landesregierung steht dafür, Armut und soziale Ausgrenzung zu
vermeiden und die gesellschaftliche Teilhabe und soziale
Gerechtigkeit zu fördern."
Auf die Zukunft der Pflege ging Ulrike Mascher, Präsidentin des
Sozialverbands VdK Deutschland, in ihrer Rede ein. Sie warnte davor,
die längst überfällige Reform der Pflegeversicherung weiter
aufzuschieben: "Der Staat muss Pflegebedürftigen und deren
Angehörigen ein menschenwürdiges Leben garantieren. Leider hat auch
die neue Bundesregierung nur kurzfristige Leistungsverbesserungen für
Betroffene in Aussicht gestellt", stellte Mascher fest und sprach
sich unter anderem für die rasche Einführung eines neuen
Pflegebedürftigkeitsbegriffs aus, der die Situation von bundesweit
rund 1,4 Millionen Menschen mit Altersdemenz verbessern soll. "Die
Mehrkosten durch den Umbau der Pflegeversicherung von geschätzt fünf
Milliarden Euro jährlich zahlen sich nach unserer Auffassung aus",
betonte die Präsidentin von Deutschlands größtem Sozialverband. "Denn
mit einer besseren Finanzierung von häuslichen und ambulanten
Strukturen kann auf Dauer die Angehörigenpflege gestärkt und der
Trend zum Heim gebremst werden."
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