(ots) - "Man muss auf sich selbst stolz sein können", sagt
Helene Gisy. Nach dem Grund für ihre geistige und körperliche Fitness
im hohen Alter gefragt, erzählt sie, dass sie immer viel gearbeitet
hat. Mit 20 Jahren hat sie zusammen mit ihrem Mann einen Schuhladen
eröffnet. Heute gehört das Schuhhaus Gisy zu den renommiertesten
Adressen in Hannover. "Es ist wichtig, etwas zu tun zu haben,
gebraucht zu werden", sagt Helene Gisy. Heute ist sie 100 Jahre alt.
"Ich bin immer als letzte aus dem Laden gegangen, wenn alle
Mitarbeiter weg waren." Nach dem Krieg, die Geschäfte liefen, kaufte
sie sich einen Porsche. Als eine der ersten Frauen überhaupt. Sie
machte Urlaub auf Sylt und in Sankt Moritz, war immer gut angezogen.
"Ich habe viel Geld verdient, aber ich habe mir auch etwas
geleistet." Einige ihrer Kleider aus den 40ern hängen noch heute in
ihrem Kleiderschrank. Seit 1970 besitzt sie einen goldfarbenen
Mercedes, eine Pagode. Inzwischen ist das Auto ein Oldtimer, aber
bestens in Schuss. "Wir passen gut zusammen, dieses Auto und ich",
lächelt sie. "Es hat mir die Treue gehalten und ich ihm." Die
tiefsten Stunden ihres Lebens waren die, als ihr Mann nach 63
Ehejahren starb. Heute hat Helene Gisy wieder einen Partner. Er ist
52 Jahre jünger als sie. Die beiden verreisen miteinander, gehen aus,
und mindestens einmal am Tag tanzen sie zusammen.
"Die Welt ist viel schneller geworden, und der Druck auf die
jungen Menschen hat zugenommen", denkt Joachim Krahnen. 1916 in
Berlin geboren, lebt er heute mit seiner Frau in Kronberg. "Dass ich
lebe, ist ein Geschenk und eine Gnade", sagt er. "Meine Generation
wurde ja fast vollständig ausradiert." Elf Jahre lang war er Soldat,
bis heute steckt eine Kugel, die ihn vor Frankreich getroffen hat, in
seinem Kopf. Nach dem Krieg begann eine erstaunliche Karriere.
Krahnen war geschäftsführender Mitinhaber der Bethmann-Bank, er ist
Mitbegründer der Baumarktkette OBI und der Robinson Clubs und hat
wesentlichen Anteil an der Einführung der Betriebsräte in deutschen
Unternehmen. 1970 wurde er zum Honorarprofessor an der Johann
Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt ernannt. Seine Sehkraft hat
stark nachgelassen, nicht aber das Interesse an politischen Themen.
So lässt er sich jeden Tag aus verschiedenen Zeitungen vorlesen und
diskutiert mit seinen ehrenamtlichen Vorlesern im Anschluss daran
über das Zeitgeschehen. Bei all seinem Erfolg ist er ein bescheidener
Mensch geblieben. "Das ist die Nachwirkung des Krieges", so Krahnen.
"Wer dem Tode so nahe war, der lebt danach dankbarer. Die Leute heute
fragen immer nach 'mehr, mehr, mehr!', ich hatte immer 'genug, genug,
genug'."
Gefragt, was das Wichtigste für die jüngeren Generationen sei,
sind sich Krahnen und Gisy einig: "Nie wieder Krieg! Es darf nie
wieder zu so einem schrecklichen Krieg kommen! Dafür müssen die
jungen Leute alles tun!"
In Deutschland leben Schätzungen zufolge 13 000 Menschen, die 100
Jahre oder älter sind. Damit hat sich die Zahl der Hundertjährigen
innerhalb von zehn Jahren mehr als verdoppelt. Menschen wie Frau Gisy
schauen auf zwei Weltkriege zurück, auf eine Zeitspanne, in der sich
die Welt rasant verändert hat. Als die heute 100-Jährigen zur Welt
kamen, gab es noch einen Kaiser, und man fuhr mit der Postkutsche.
Heute beobachten sie, wie ihre Enkel im Internet surfen. Sie haben
Zerstörung und Wiederaufbau erlebt, wirtschaftliche und persönliche
Krisen durchstanden.
Der nahende Tod ist den Menschen "um die 100" bewusst. Aber eben
auch das Leben. Eingeschränkt in mancher Hinsicht. Aber immer noch
lebenswert. Sie haben viel erlebt, viel zu erzählen und viel Weisheit
weiterzugeben an die nachfolgenden Generationen. Und sie sind in
mehrerer Hinsicht Vorbild. Denn die Zahl der 100-Jährigen wird in den
nächsten Jahren stetig steigen. Und die "37°"-Sendung zeigt: Alt
werden kann sich lohnen.
Pressekontakt:
ZDF Presse und Information
Telefon: +49-6131-70-12121