(ots) - Keine zwei Wochen vor ihrem Beginn droht den
Olympischen Spielen im russischen Sotschi ein Skandal. Nach
Recherchen der ARD Sportschau (Sonntag, 26.01., 18 Uhr) und des WDR
Magazins "sport inside" (WDR-Fernsehen, Montag 27.01., 22.45 Uhr)
wurden die Arbeiter der Olympiabauten von Sotschi offenbar
systematisch ausgebeutet. Eine Vielzahl der Arbeiter hat demnach
ihren Lohn nicht vollständig oder gar nicht erhalten. Auf
ARD/WDR-Anfrage bestätigte das Internationale Olympische Komitee,
dass tausende Arbeiter nicht vollständig bezahlt worden seien.
Zahlreiche russische Arbeiter und Gastarbeiter aus Zentralasien
berichteten der ARD und dem WDR, dass sie bis heute auf einen
Großteil ihrer Gelder warteten. Ein Arbeiter bezeichnete das Erlebte
als "moderne Sklaverei". Ein anderer sagte: "Wir hätten doch nie
gedacht, dass uns so etwas in Sotschi, auf so bedeutenden Baustellen
von Olympia passieren würde. Wir haben hart gearbeitet, aber wie
sollen wir denn jemals unser Geld bekommen?"
Der Vertreter der anerkannten Moskauer Menschenrechtsorganisation
Memorial in Sotschi, Semjon Simonov, sagte der ARD Sportschau und WDR
sport inside mit Bezug auf die weit über 100.000 in Sotschi
eingesetzten Arbeiter sogar: "90 Prozent aller Arbeiter der
Olympiabauten von Sotschi haben entweder ihren Lohn gar nicht
bekommen oder nur in Teilen. Mit ihrer Arbeit wurde Olympia erst
möglich, aber bezahlt wurden sie dafür nicht. Man hat ihnen nicht mal
offizielle Arbeitsdokumente gegeben, und am Ende wurden viele von
ihnen mit Gewalt ausgewiesen."
Viele Arbeiter waren Gastarbeiter aus Zentralasien, ihre Zahl wird
auf über 50.000 geschätzt. Ein Reporter war für die Sportschau und
"sport inside" in Tadschikistan in Zentralasien, nach Angaben
internationaler Verbände wie Human Rights Watch Moskau der erste
eines westlichen Mediums überhaupt, der dem Problem in der Heimat der
Gastarbeiter nachging. Bereits im Februar letzten Jahres hatte Human
Rights Watch in einem Bericht auf die Missstände auf den Baustellen
von Sotschi hingewiesen, die vor allem die Gastarbeiter betreffen.
Allerdings war daraufhin nichts passiert.
Zahlreiche Gastarbeiter beschuldigen gegenüber ARD/WDR auch das
russische Staatsunternehmen Olimpstroi, das für die Baustellen der
Olympiabauten koordinierend verantwortlich ist. So sagt ein
tadschikischer Arbeiter: "Als wir unser Geld haben wollten, hat unser
Chef gesagt, Olimpstroi habe nicht bezahlt. Deshalb könne er auch
nicht bezahlen." Sowohl Olimpstroi als auch das Organisationskomitee
der Olympischen Spiele in Sotschi 2014 lehnten ein Interview oder
eine Stellungnahme dazu ab.
Das IOC verwies darauf, dass 13 Unternehmen nun Gehälter in Höhe
von knapp sechs Millionen Euro nachgezahlt hätten. Wann und wie die
Auszahlung bei den zumeist nicht registrierten Gastarbeitern von
Sotschi, die überwiegend auch kein Bankkonto haben, erfolgt sein
soll, schrieb das IOC trotz Nachfrage aber nicht.
Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Europäischen
Parlaments, Barbara Lochbihler, zeigte sich gegenüber der ARD
erschüttert und die aufgedeckten Missstände einen "Skandal": "Das IOC
darf nicht einfach so weitermachen wie bisher. Man hätte viel früher
reagieren müssen, wenn man es ernst gemeint hätte, dass Arbeiter bei
der Errichtung der Sportstätten nicht ausgebeutet werden sollen. Es
ist jetzt absolut notwendig, dass das IOC, die russische Regierung
und die einzelnen Unternehmen Verantwortung zeigen. Sie müssen dazu
stehen, dass sie hier die extreme Ausbeutung der Arbeitsmigranten
nicht verhindert haben."
Mehrere Arbeiter berichteten der ARD und dem WDR zudem von
teilweise menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen. So sagte
ein Arbeiter: "Wir haben unser Geld nicht bekommen, hatten keinen Tag
frei, haben mit acht Personen auf 18 Quadratmetern gelebt. Wenn du
krank warst, dein Problem. Ausbeutung war das."
Die Bundesregierung wollte sich auf Anfrage nicht äußern, weder
Außenminister Frank-Walter Steinmeier noch der für den Sport
zuständige Innenminister Thomas de Maizière.
Die XXII. Olympischen Winterspiele in Sotschi beginnen am 7.
Februar. Sie gelten mit geschätzten Investitionskosten von mehr als
40 Milliarden Euro als das teuerste Sportereignis aller Zeiten.
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