(ots) - Erdogans riskantes Spiel
Wer glaubte, der türkische Ministerpräsident hätte mit seinem
Berlin-Besuch genug Wirbel gemacht, wurde getäuscht. Kaum zurück in
Ankara, peitschte er ein Gesetz durch, das die Sperrung von
Internetseiten auch ohne richterlichen Beschluss erlaubt. Dafür gibt
es nur ein Wort: Zensur.
Der ehrgeizige Erdogan hofft, so seine Gegner mundtot zu machen.
Zugleich will er das Volk daran hindern, sich frei und umfassend zu
informieren.
Das Gesetz ist ein Schlag ins Gesicht der türkischen Bürger, die
im vergangenen Jahr unter Einsatz von Leib und Leben für Freiheit und
Menschenrechte auf die Straße gegangen sind.
International stellt Erdogan die Türkei in eine schändliche Reihe
mit Staaten wie Iran und China, die Freiheitsrechte mit Füßen treten.
Und auch aus EU-Sicht ist das Gesetz ein Skandal. Noch am Dienstag
hatte Erdogan in Berlin behauptet, ohne die Türkei sei eine
Gestaltung des 21. Jahrhunderts unmöglich. Nun wirft die Lex Erdogan
das Land zurück in eine Zeit, als Demokratie oder Gewaltenteilung
noch nicht zum modernen Wertekanon zählten.
Das haben die türkischen Bürger nicht verdient. Zumal durch
Erdogans riskante Provokation auch das Gewaltpotenzial in dem Staat
wieder rapide steigt.
Zum Glück ist Erdogan nicht die Türkei, und zum Glück sind bald
Wahlen. Sie werden offenbaren, was das Volk will: eine Türkei mit
Erdogan als Sultan. Oder eine freiheitliche Demokratie.
Melanie Heike Schmidt
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