(ots) - Die kleine Schweiz hat nach dem Zuwanderungs-Votum
für großen Wirbel gesorgt. Doch was ist geschehen? Die Schweizer
haben ihrer Wirtschaft und ihrem Wohlstand einen Bärendienst
erwiesen. Die Europäische Union ist auf den kleinen Markt in den
Alpen nicht angewiesen. Andersherum aber ist Europa der größte
Absatzmarkt für die Unternehmen in der Schweiz, zu dem die
Eidgenossen freien Zugang erhielten, als die Freizügigkeit geregelt
war. Noch ist nicht klar, ob und wie die EU auf die Abschottung
reagieren wird, sicher aber ist: sie wird. Sie kann gar nicht anders.
Denn Europa funktioniert nicht, wenn einer immer nur die Rosinen
aus dem Kuchen pickt und den Rest den anderen überlässt, es lebt vom
Ausgleich der Interessen, vom Freiheitsgedanken. Die Freizügigkeit
ist nicht verhandelbar, so schwer viele Länder wegen des enormen
Wohlstandsgefälles in der Union auch an den Folgen zu tragen haben,
und so wichtig es ist, genau zu prüfen, ab wann man sie gewährt.
Europa ist ein Geben und Nehmen. Die Schweiz ist nie Mitglied im Club
geworden. Die Eidgenossen lassen sich nicht gern vereinnahmen,
bestimmen gerne von Fall zu Fall und autonom - so wie am Sonntag.
Dafür müssen sie nun die Konsequenten tragen.
Doch es ist gefährlich, dieses Votum als Ausdruck von
Fremdenfeindlichkeit zu interpretieren. Es ist vielmehr ein großes
Unbehagen über die Richtung und das Tempo der sich seit mehr als
einem Jahrzehnt abzeichnenden Entwicklung. Die Schweizer fürchten um
ihre hohe Lebensqualität, wenn sie in langen Staus stehen, kaum noch
bezahlbare Wohnungen finden oder in übervollen Zügen stehen. Die
Politik macht einen großen Fehler, wenn sie dieses Unbehagen nicht
ernst nimmt und die Nachteile des Wachstums nicht angeht.
Das knappe Ja zur Zuwanderungsbeschränkung muss in Europa als
Signal verstanden werden, als Weckruf, die Probleme der
Freizügigkeit, die auch Deutschland bewegen, zu lösen. Geschieht dies
nicht, gerät die größte Errungenschaft nach dem 2. Weltkrieg - ein
friedliches und freies Europa - in Gefahr.
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