(ots) - Taktlos, aber korrekt
Dieses Urteil ist ein echter Aufreger: Ein Mann, der von seinem
Vater verstoßen wurde, soll dessen Heimkosten zahlen. Es sei seine
Pflicht, den Elternunterhalt zu übernehmen, urteilte der
Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Darüber kann man wirklich den Kopf
schütteln. Denn es ist nicht angemessen, dass der Sohn, der immer
wieder vom Vater abgewiesen wurde, nach dessen Tod die Rechnung für
das Pflegeheim begleicht. Es ist unfair, unsensibel und taktlos.
Leider ist es aber so, dass Rechtsprechung und der oft zitierte
gesunde Menschenverstand nicht immer Hand in Hand gehen. So auch
hier. Denn bei genauer Betrachtung hat der BGH formal korrekt
geurteilt. Im Bürgerlichen Gesetzbuch steht eindeutig, dass
"Verwandte in gerader Linie" einander zum Unterhalt verpflichtet
sind. Auch die Ausnahmen, beispielsweise bei Missbrauch, sind
geregelt. Um es böse zu sagen: Die Unterhaltspflicht wird nicht außer
Kraft gesetzt, nur weil jemand einen miesen Charakter hat. Das allein
ist keine "schwere Verfehlung" im Sinne des Gesetzes. Das sahen auch
die Karlsruher Richter so. Die Frage, die hier aufgeworfen wurde, ist
aber eine andere: Ist das Gesetz zum Verwandtenunterhalt überhaupt
noch zeitgemäß? Angesichts immer weiter zerfallender
Familienstrukturen scheint diese Regelung doch reichlich antiquiert.
Gefordert ist nun die Politik: Sie muss hinschauen, das Gesetz
prüfen, und gegebenenfalls korrigieren.
Melanie Heike Schmidt
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