(ots) - A.T. Kearney-Studie zeigt: Europas Unternehmen
tragen nur noch knapp über zehn Prozent zu den weltweiten ICT-
Umsätzen der globalen Top-100-Hightech-Unternehmen bei
Hightech als Kernindustrie in Europa ist bedroht. Nur noch neun
der weltweit führenden 100 Hightech-Unternehmen haben ihren Hauptsitz
in Europa, so eine Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney.
Dabei ist dieser Sektor von entscheidender Bedeutung für Europas
zukünftige Konkurrenzfähigkeit. Zurückzuführen ist die Entwicklung
unter anderem auf die Verlagerung der Nachfrage in andere Märkte,
fehlende Fachkräfte und finanzielle Mittel, unzureichende
strategische Weitsicht und das Fehlen einer koordinierten
gesamteuropäischen Initiative. A.T. Kearney fordert einen
dreigleisigen Ansatz für Europa: "Enable - Focus - Excel". Es gilt
zeitnah die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen und einen
fokussierten Masterplan für Hightech-Wachstum in Europa zu
erarbeiten, der mit Weitsicht, Innovationsgeist und
partnerschaftlicher Zusammenarbeit umgesetzt wird.
Europas internationale Wettbewerbsfähigkeit hängt maßgeblich vom
Hightech-Sektor ab. Technologie spielt praktisch in jeder Branche
eine entscheidende Rolle, denn Maschinen, Produkte und Netzwerke
werden immer intelligenter. Europa braucht einen gesunden
Informations- und Kommunikationstechnologie-Sektor (ICT) als Treiber
für Innovation, um sich die Konkurrenzfähigkeit seiner Kernbranchen
wie Automobilbau, Luft- und Raumfahrt, Industrietechnik,
Einzelhandel, Telekommunikation und Energieversorgung zu erhalten und
damit Arbeitsplätze und Wohlstand für die Zukunft zu sichern. Eine
neue Studie von A.T. Kearney zeigt, dass knapp über zehn Prozent der
weltweiten Umsätze im Bereich Informations- und
Kommunikationstechnologie der Top-100-ICT-Unternehmen durch
europäische Unternehmen generiert werden. Lediglich neun der
Top-100-ICT-Unternehmen haben ihren Hauptsitz in Europa. Diese Zahl
schrumpft seit Jahren aufgrund von Fusionen und Ãœbernahmen und
aufgrund des schnelleren Wachstums asiatischer und US-amerikanischer
Firmen. Viele wichtige europäische Branchen sind daher auf
nicht-europäische Hightech-Anbieter angewiesen - sowohl in Bezug auf
die Produktion als auch auf die Entwicklung und Innovation. Die
Europäische Kommission hat zwar offiziell die Bedeutung von
Technologie für Europa bestätigt, doch die Initiativen der Politik
haben bislang nicht ausgereicht, um den Abschwung des europäischen
Hightech-Sektors zu stoppen.
Europa verliert an Boden
Der Schwerpunkt der Studie von A.T. Kearney liegt auf neun
Sektoren der ICT-Industrie: IT-Services, IT-Hardware, Software,
Kommunikationsausrüstung und Services, Unterhaltungselektronik,
mobile Endgeräte, PCs/Laptops/Tablets, Halbleitertechnologie und
elektronische Bauelemente. Die 100 größten ICT-Unternehmen der Welt
erwirtschafteten in diesen Segmenten im Jahr 2012 einen Umsatz von
1,67 Billionen US-Dollar - eine Steigerung gegenüber den 1,59
Billionen US-Dollar im Jahr 2011. Europa ist jedoch nur schwach
repräsentiert. Von den neun Top-100-ICT-Firmen aus Europa
verschwindet dieser Tage eine weitere von der Liste, wenn Microsoft
die Geräte- und Dienstleistungssparte von Nokia im Frühjahr offiziell
übernimmt. Danach ist Europa unter den zehn größten
Telefonherstellern der Welt nicht mehr präsent, ganz anders als vor
15 Jahren, als europäische Unternehmen den Sektor dominierten. "Am
besten schneidet Europa in den B2B-Bereichen ab. Es gibt jedoch auch
einige Unternehmen, die in Teilmärkten führend sind, aber nicht zu
den Top 100 zählen", erklärt Axel Freyberg, Partner und Leiter des
Beratungsbereichs Kommunikation, Medien und Technologie von A.T.
Kearney in EMEA sowie Co-Autor der Studie. "Insgesamt gibt es in
Europa aber nur wenige bedeutende ICT-Unternehmen, die aufgrund ihrer
Größe die Möglichkeit haben, als Konsolidierer in ihrem jeweiligen
Segment aufzutreten. Europäische Hightech-Firmen laufen häufig
Gefahr, Übernahmen durch größere Konkurrenten außerhalb von Europa
zum Opfer zu fallen."
Nicht nur die Zahl der ICT-Unternehmen in Europa, auch ihr Anteil
am weltweiten Umsatz nimmt zunehmend ab. Laut prognostizierter
jährlicher Wachstumsrate von 2011 bis 2015 wächst Europa (2,2
Prozent) um die Hälfte langsamer als Nordamerika (5,2 Prozent) und
Asien (5,4 Prozent). Insbesondere in den wichtigen Sparten wie
IT-Services, Software, Kommunikationssysteme und -dienste,
IT-Hardware und Halbleitertechnologie verliert Europa als Markt an
Bedeutung. "Europäische Unternehmen - insbesondere IT-Dienstleister -
sind stärker von der regionalen Nachfrage abhängig als ihre
amerikanischen und asiatischen Konkurrenten, so dass Europa allein
durch die Marktverschiebung Marktanteile verloren gehen", erklärt
Thomas Kratzert, Partner bei A.T. Kearney und Co-Autor der Studie.
Maßnahmen der EU greifen zu kurz
Die Gründe, warum Europa an Boden verliert, sind vielfältig: Zum
einen fehlt es an strategischer Weitsicht und Innovationskraft, zum
anderen an qualifizierten Fachkräften und strategischen
Partnerschaften zwischen EU und Unternehmen sowie zwischen
Unternehmen selbst. Die Fragmentierung des europäischen Markts und
die Knappheit der Finanzmittel, die Unternehmen für internationale
Expansion benötigen, begrenzen darüber hinaus das Wachstum des
Sektors.
Die EU-Kommission hat viele dieser Mängel erkannt und reagiert mit
verschiedenen Maßnahmen, unter anderem mit dem Rahmenprogramm
"Horizont 2020", das 2013 aufgelegt wurde. "Diese Initiativen mit
ihrem Fokus auf Forschung und deren Kommerzialisierung - neuerdings
auch Inkubation - greifen in der Regel aber zu kurz", sagt Freyberg.
"Es fehlt ein strategischer Masterplan, bei dem die EU verstärkt auf
ICT-Sektoren mit Wachstumspotenzial setzt sowie führende Unternehmen
durch gezielte Industriepolitik dabei unterstützt, ihre Marktposition
zu festigen und an Größe zu gewinnen." Die EU hat begonnen, die
richtigen Branchen zu identifizieren. Nun gilt es, diese über eine
strategische Richtungsgebung, gezielte Nachfragesteuerung,
fokussierte Finanzierung und vorwettbewerbliche Partnerschaften
entschieden zu fördern. Nicht zuletzt die Veröffentlichungen zu den
Überwachungsaktivitäten der National Security Agency der USA haben
die Abhängigkeit Europas von nordamerikanischen und asiatischen
Hightech-Unternehmen vor Augen geführt und den Handlungsbedarf
aufgezeigt.
Zehn Punkte für einen wettbewerbsfähigeren europäischen
Hightech-Sektor
Aus der Studie gehen konkrete Maßnahmen für EU-Institutionen,
nationale Regierungen, Branchenverbände und einzelne Unternehmen
hervor, um die ICT-Branche wiederzubeleben. Sie lassen sich in drei
Kategorien unterteilen: "Enable", "Focus" und "Excel".
1. "Enable": Rahmenbedingungen für Wachstum schaffen
Europa sollte das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften durch
eine stärker technologieorientierte Ausbildung und gezielte
Zuwanderung erhöhen. Es gilt zudem, eine bessere Risikokapital- und
Wachstumsfinanzierung für Hightech-Unternehmen zu gewährleisten,
Freiräume für unternehmerisches Handeln zu schaffen und Erfolge zu
belohnen. Durch einheitliche Standards und Vorschriften sollte
darüber hinaus ein einheitliches Wettbewerbsumfeld etabliert werden.
2. "Focus": Fokussierte Strategie zur Ãœberwindung der
Fragmentierung umsetzen
Die EU und Länderregierungen sollten zusammen mit der Industrie
einen EU-weiten Masterplan entwickeln, der erfolgversprechende
ICT-Bereiche in den Mittelpunkt stellt, um in diesen weltweit eine
Spitzenposition zu erlangen. Angesichts der verbleibenden
Hightech-Unternehmen und der industriellen Basis in Europa bieten
sich hier insbesondere Hightech-Lösungen für Unternehmen (B2B) als
Fokus für einen solchen Master-Plan an. Eine Fokussierung der
Investitionen gewährleistet dabei, dass Ressourcen gezielt verteilt
werden. In der Folge sollte Europa paneuropäische Exzellenz-Cluster
für diese Schwerpunkte aufbauen und seine Ausgaben und
Investitionskraft für die Entwicklung dieser Bereiche nutzen.
3. Excel: Mit Innovation, Partnerschaft und Führungsstärke gegen
den weltweiten Wettbewerb antreten
Die europäischen Unternehmen müssen auf zukünftige
Herausforderungen mit größerer strategischer Weitsicht und
Entschlossenheit reagieren. Durch höhere Investitionen in Forschung
und Entwicklung können sie ihre Innovationskraft steigern und
Wachstum generieren. Insbesondere strategische, auf längerfristige
Zusammenarbeit ausgelegte Partnerschaften von Unternehmen
europäischer Kernbranchen sowie von europäischen Institutionen mit
europäischen Hightech-Unternehmen können den erforderlichen Impuls
für Innovationen und Wachstum geben - dabei sind kurzfristige
Kosteneinsparungen gegenüber dem strategischen Wert einer
Partnerschaft mit einem in Europa ansässigen Hightech-Anbieter immer
auszubalancieren.
Schnelles Handeln gefordert
Aufgrund der speziellen geografischen, geschichtlichen und
kulturellen Gegebenheiten Europas können hierzulande unmöglich die
Bedingungen reproduziert werden, die das Wachstum von ICT-Unternehmen
in Nordamerika und Asien so beflügelt haben. "Die besondere Struktur
Europas fördert einerseits eine gesunde Konkurrenz, erschwert aber
zugleich das Wachstum", sagt Kratzert.
Die europäischen Institutionen und Regierungen können noch mehr
dazu beitragen ihre industrielle Wettbewerbsfähigkeit zu festigen.
"Horizont 2020" ist ein guter Anfang, aber es kann noch mehr getan
werden. "Die politischen Entscheidungsträger haben die Möglichkeit,
die Regeneration der ICT-Industrie zu einer Top-Priorität zu machen",
sagt Freyberg. "Regierungsbehörden, ICT-Firmen, Investoren und
Branchenverbände sollten gemeinsam einen langfristigen Masterplan
erarbeiten."
Wenn jetzt keine Entscheidungen getroffen werden, wird die
europäische Hightech-Industrie weiter an Relevanz verlieren. Werden
jedoch die richtigen Maßnahmen ergriffen, kann sich Europa eine
starke Stellung im internationalen Technologiesektor zurückerobern.
"Wir brauchen mehr paneuropäische Führung, nicht weniger", so
Freyberg abschließend.
Ãœber die Studie
Die Studie von A.T. Kearney zum europäischen Hightech-Sektor
basiert auf einer qualitativen Analyse von Branchendaten sowie auf
Gesprächen mit den wichtigsten Führungskräften, Forschern und
Meinungsbildnern aus der Branche.
Ãœber A.T. Kearney
A.T. Kearney zählt zu den weltweit führenden
Unternehmensberatungen für das Top-Management und berät sowohl global
tätige Konzerne als auch führende mittelständische Unternehmen und
öffentliche Institutionen. Mit strategischer Weitsicht und operativer
Umsetzungsstärke unterstützt das Beratungsunternehmen seine Klienten
bei der Transformation ihres Geschäftes und ihrer Organisation. Im
Mittelpunkt stehen dabei die Themen Wachstum und Innovation,
Technologie und Nachhaltigkeit sowie die Optimierung der
Unternehmensperformance durch das Management von Komplexität in
globalen Produktions- und Lieferketten. A.T. Kearney wurde 1926 in
Chicago gegründet. 1964 eröffnete in Düsseldorf das erste Büro
außerhalb der USA. Heute beschäftigt A.T. Kearney rund 3.000
Mitarbeiter in 39 Ländern der Welt. Seit 2010 berät das Unternehmen
Klienten klimaneutral.
Weitere Informationen finden Sie unter www.atkearney.de und auf
Facebook: www.facebook.com/atkearney.de.
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