PresseKat - Neue OZ: Neue OZ - Interview mit Sylvia Löhrmann, Präsidentin der Kultusministerkonferenz.

Neue OZ: Neue OZ - Interview mit Sylvia Löhrmann, Präsidentin der Kultusministerkonferenz.

ID: 1031254

(ots) - KMK-Präsidentin: Unsere Schulen sind
angstbesetzt

Löhrmann plädiert für Gelassenheit: Fachkräftemangel senkt
Leistungsdruck - Kritik an Abkehr von G9 - Ganztags-Angriff auf den
Bund

Osnabrück.- Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK),
Sylvia Löhrmann, hat ein Klima der Furcht an deutschen Schulen
beklagt. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung"
(Mittwoch) sagte die Grünen-Politikerin vor der turnusmäßigen
Plenartagung der Konferenz in dieser Woche, "unsere Schulen sind
vielfach angstbesetzt". Es gebe Kinder und Jugendliche, die Angst vor
ihren Lehrern hätten und Lehrer mit Angst vor ihrer Klasse. In der
Folge könne Schule Kinder krank machen. "Wir stellen uns die
Gesundheitsfrage in Zeiten des Burnout-Syndroms nicht nur für die
Lehrer, sondern auch und insbesondere für die Schüler", erklärte die
nordhrein-westfälische Schulministerin. Dies gelte, auch wenn laut
Pisa-Analyse 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen eigenen Angaben
zufolge sogar glücklich in der Schule sind.

Auch Druck von Vätern und Müttern trage zu einem schlechten
Schulklima bei. Die KMK-Präsidentin verwies auf "Helikopter-Eltern",
die "Sorge haben, dass ihre Töchter und Söhne nicht erfolgreich genug
sind". Diese kenne "ich auch aus meiner Erfahrung als Lehrerin",
sagte Löhrmann. Die stellvertretende Ministerpräsidentin riet dazu,
"mehr Zutrauen in unsere Kinder und Jugendlichen zu haben und Druck
von ihnen zu nehmen". Jeder solle sich nach seinen Talenten
entwickeln können.

Eine Besserung der Situation erwartet die Ministerin außer durch
entsprechende Qualitätsstandards für Schulen durch den
Fachkräftemangel. Angesichts dessen "könnten alle Beteiligten viel
entspannter sein, denn wir brauchen alle Potenziale", führte Löhrmann
mit Blick auf Leistungsdruck der Eltern und das verbreitete Streben




nach dem Abitur als Schulabschluss aus. Sie werbe deshalb auch für
eine geordnete, ruhige und zielgerichtete Schulentwicklung.
"Aktionismus und ständiges Hin und Her sind kontraproduktiv."
Ganztagsschulen trügen ebenfalls zur Entlastung bei. "Das Modell der
professionellen Hausaufgabenbegleitung, gemeinsamer Arbeitsgruppen,
kultureller Angebote stützt und stärkt die Kinder", sagte Löhrmann.
Ganztagsschulen entlasteten die Elternhäuser. "Die deutsche
Halbtagsschule ist anachronistisch", stellte die NRW-Ministerin fest
und rief den Bund dazu auf, sich stärker zu engagieren. "Alle
Parteien haben vor der Wahl mehr Ganztag versprochen", sagte die
Grünen-Politikerin. "Im Koalitionsvertrag ist das aber nicht
enthalten, stattdessen sechs Milliarden Euro für den gesamten
Bildungsbereich für vier Jahre. In Anbetracht der jährlich elf
Milliarden Euro für die Rente ist das für mich ein Missverhältnis",
griff die KMK-Präsidentin die schwarz-rote Bundesregierung an.

Zu Niedersachsens Beschluss, wieder zum Abitur nach neun Jahren
zurückzukehren, sagte Löhrmann, in diesem Punkt werde "zu wenig auf
die Frage der Qualität geschaut". Sie habe Rückmeldungen erhalten,
nach denen sich die Bewertung ganz anders anhöre. "Auch in
G9-Gymnasien gab es Klagen über zu viel Druck. Die Ergebnisse beim
Zentralabitur zeigen, dass die G8-Schüler nicht schlechter
abschneiden, durchschnittlich sogar minimal besser. In der
Studierfähigkeit werden auch keine Unterschiede festgestellt",
stellte die Grünen-Politikerin fest.



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Datum: 12.03.2014 - 05:00 Uhr
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