(ots) - Demokratische Wahlen müssen nicht
demokratiefreundlich ausfallen. In der Türkei haben die Wähler die
Demokratie massiv geschwächt. Ministerpräsident Erdogan wird nach
diesem fulminanten Vertrauensbeweis die Säuberungsaktionen gegen die
Widersacher in Polizei und Justiz ausweiten, die Internetzensur
verstärken, kritische Journalisten weiterhin gängeln oder gar
verfolgen. Zu all diesen Ankündigungen haben die Wähler ihren Segen
gegeben. Und die Korruption, in die ganz offenkundig auch die Familie
des Ministerpräsidenten tief verstrickt ist, haben sie gleichsam für
sakrosankt erklärt. Erdogan hat die Kommunalwahl zu einer
Volksabstimmung über seine unumschränkte Herrschaft gemacht - und auf
breiter Front gewonnen. Daran ändern auch die zahlreichen Vorwürfe zu
lokalen Wahlmanipulationen nichts. Das belegt die überwältigende
Wahlbeteiligung, auf die sich Erdogan stützen kann. Und das belegen
auch seine fast schon sensationellen Wahlergebnisse im türkischen
Teil Kurdistans, die noch keine Regierung zuvor erreicht hat. Die
urban-liberale Opposition der Gezi-Proteste ist mit dieser Wahl
massiv geschwächt. Sie muss erkennen, dass sie mitnichten die
Mehrheit der Bürger repräsentiert. Die nehmen für wirtschaftlichen
Aufschwung, ein funktionierendes Gesundheitssystem und eine
nationalistische Politik der großen Töne in Kauf, dass
Gewaltenteilung, rechtsstaatliche Prinzipien und freie
Meinungsäußerung mit Füßen getreten werden. Die türkischen Wähler
mögen das akzeptieren. Die europäische Wertegemeinschaft darf das
nicht. Machtmissbrauch oder Annäherung an Europa, das ist die Wahl,
vor die die EU Recep Tayyip Erdogan stellen muss.
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