(ots) - Freistaat Bayern nimmt Berufung zurück -
Urteil des VG München aus 2012 ab sofort rechtskräftig -
Verhandlungstermin vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am 10.
April 2014 aufgehoben - Umweltministerium muss unverzüglich wirksamen
Luftreinhalteplan für München vorlegen
Bayern muss deutlich mehr für die Luftqualität in seiner
Landeshauptstadt München tun. Dies ist die Konsequenz aus einem vor
dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof auf Klage der Deutschen
Umwelthilfe e. V. (DUH) geführten Verfahren auf Fortschreibung des
Luftreinhalteplans für die Stadt München.
Der Umwelt- und Verbraucherschutzverband hatte im Februar 2012
Klage gegen den Freistaat Bayern wegen Ãœberschreitung der
Luftqualitätsgrenzwerte für Stickstoffdioxid in der Landeshauptstadt
eingereicht. Das Verwaltungsgericht München hatte dieser Klage
erstinstanzlich durch Urteil vom 9.10.2012 stattgegeben und
entschieden, dass der Freistaat den für München geltenden
Luftreinhalteplan so ändern muss, dass dieser alle Maßnahmen enthält,
mit denen die für Stickstoffdioxid und Feinstaub geltenden Grenzwerte
so schnell wie möglich eingehalten werden können.
Der Freistaat hatte Berufung zum Bayerischen
Verwaltungsgerichtshof eingelegt. Die Verhandlung über die Berufung
sollte am morgigen Donnerstag stattfinden. Nachdem das Gericht vorab
schriftlich mitteilte, dass es die Klage der DUH ebenfalls als
erfolgreich ansehe, nahm der Freistaat die Berufung wenige Stunden
vor der Verhandlung zurück. Das Urteil des VG München vom 9.10.2012
ist damit ab sofort rechtskräftig.
Der Freistaat ist nun gezwungen, dass Urteil umzusetzen und den
Luftreinhalteplan zu ändern. Es müssen unverzüglich diejenigen
Maßnahmen aufgenommen und umgesetzt werden, die zu einer
schnellstmöglichen Grenzwerteinhaltung erforderlich sind. Der
Grenzwert für Stickstoffdioxid in Höhe von 40 µg/m3 wurde in München
mit 81 µg/m3 an der Messstation Landshuter Allee auch 2013 massiv
überschritten. Nahezu alle Hauptverkehrsstraßen in der Innenstadt
Münchens weisen Überschreitungen der gesetzlich zulässigen Werte für
Stickstoffdioxid auf.
"Aufgrund des jetzt rechtskräftig gewordenen Urteils setzen wir
der bayerischen Staatsregierung eine Frist von sechs Monaten bis zum
15. November 2014, um einen wesentlich überarbeiteten
Luftreinhalteplan vorzulegen. Parallel fordern wir die sofortige
Umsetzung von so genannten planunabhängigen Sofortmaßnahmen wie der
Nachrüstung bzw. Ertüchtigung von NO2-Minderungs- und Filtersystemen
für ÖPNV-Busse sowie der verpflichtenden Verwendung von Baumaschinen
und -fahrzeugen mit einem Partikelfilter, so wie dies die DUH auch in
Stuttgart auf der Baustelle von S21 gerichtlich durchgesetzt hat", so
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Die Erfüllung des Urteils bedeutet für die Landeshauptstadt und
den Freistaat, dass diese nun sehr kurzfristig neue Wege in der
Verkehrspolitik beschreiten müssen. Nach Ansicht der DUH sind dies
die konsequente Aussperrung ungefilterter Dieselfahrzeuge, eigene
Förderprogramme für Filtertechniken, ein Bürgerticket im öffentlichen
Personennahverkehr und langfristig auch eine Untertunnelung der
Landshuter Allee. Außerdem wäre es erforderlich, die Umweltzone auf
das gesamte Stadtgebiet auszuweiten, denn es ist nicht
nachvollziehbar, warum eine der am meisten belasteten Straßen
Deutschlands (die Landshuter Allee) nicht Teil der Umweltzone ist.
Rechtlich wäre es ebenfalls zulässig, eine sozial verträgliche und
mit einem Bürgerticket für den ÖPNV gekoppelte Citymaut in der
Innenstadt einzuführen. Die Möglichkeiten sind zahlreich.
Kommt der Freistaat seinen rechtskräftig festgestellten
Verpflichtungen nicht unverzüglich nach, wird die DUH das Urteil
zwangsweise vollstrecken lassen. Das Gesetz sieht dazu Zwangsgelder
von bis zu 10.000 EUR vor, die wiederholt festgesetzt werden können.
Führen auch diese Maßnahmen nicht zur Umsetzung des Urteils, kann im
Extremfall auch Ordnungshaft gegen den zuständigen Behördenleiter (in
diesem Fall den bayerischen Umweltminister Dr. Huber) angedroht und
festgesetzt werden.
"Es ist höchste Zeit, dass die Stadt die Gesundheit Ihrer
Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt und die Schadstoffbelastung
reduziert", so Resch. "Neben der Ausweitung der Umweltzone über den
Mittleren Ring hinaus, ist eine generelle Nachrüstung aller
ungefilterten Busse mit einer Ruß- und NO2-Abgasreinigung, sowie die
Umrüstung der Taxiflotte auf Erdgas- bzw. Benzinhybridtaxen
notwendig." Der Luftreinhalteplan für die bayerische Landeshauptstadt
gilt seit Dezember 2004 und wurde insgesamt vier Mal fortgeschrieben.
Umso enttäuschender ist die Prognose des Umweltministeriums, wonach
die Grenzwerte mit den bisher gewählten Maßnahmen erst ab dem Jahr
2030 eingehalten werden sollen - selbst dies sei aber nicht sicher.
Bereits in den Jahren 2005 bis 2007 hatte die DUH den damals an
der Landshuter Allee wohnenden Dieter Janecek in seiner Klage für die
Umsetzung sofort wirksamer Maßnahmen in München unterstützt. Der
Europäische Gerichtshof bestätigte in diesem Zusammenhang das
einklagbare "Recht auf saubere Luft". Die Entscheidung hatte unter
anderem zu einem Verbot für Lkw-Transit sowie für die Einführung der
Umweltzone geführt. Nach einer Klage der DUH bestätigte das
Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 5.9.2013 das Klagerecht
von Umweltverbänden. Verbände können daher nun die Luftqualität für
eine ganze Stadt gerichtlich einklagen - Anwohner (wie Herr Janecek)
konnten dies nur für ihre Wohnstraße verlangen.
"Die bisherigen Erfolge vor Gericht geben betroffenen Anwohnern
und Verbänden Recht. Für das Umweltministerium bedeutet das: Es kann
und darf sich nicht länger gegen die Gesundheitsinteressen der
eigenen Bürger stellen", sagt Remo Klinger, Anwalt in der Berliner
Kanzlei Geulen & Klinger, der die DUH in dem Prozess vertritt.
Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
Mobil: 0171 3649170, E-Mail: resch(at)duh.de
Dr. Remo Klinger, Rechtsanwalt
Mobil: 0171 2435458, E-Mail: klinger(at)geulen.com
Daniel Hufeisen, Pressesprecher
Tel.: 030 2400867-22, Mobil: 0151 55017009, E-Mail: hufeisen(at)duh.de