(ots) -
- Ermittlungsergebnisse werden unterdrückt -
Sieben Wochen nach den tödlichen Schüssen von Kiew, die zum Sturz
der Regierung Janukowitsch führten, mehren sich Hinweise, die
erhebliche Zweifel an der offiziellen Version der Ereignisse
aufkommen lassen. Nach Recherchen des ARD-Magazins "Monitor"
(10.04.2014, 21.45 Uhr im Ersten) erscheint es unwahrscheinlich, dass
die tödlichen Schüsse auf Demonstranten ausschließlich von Seiten des
alten Regimes ausgingen. Generalstaatsanwaltschaft und
Ãœbergangsregierung hatten sich auf einer Pressekonferenz vor einer
Woche dahingehend festgelegt. Zwölf Mitglieder der mittlerweile
aufgelösten Spezialeinheit "Berkut" wurden festgenommen und als
Hauptschuldige präsentiert.
Ein hochrangiges Mitglied des Ermittlerteams der ukrainischen
Regierung, das an den Untersuchungen beteiligt ist, zieht die
Aussagen der Generalstaatsanwaltschaft in Zweifel. Der Ermittler, der
anonym bleiben will, berichtet "Monitor": "Meine
Untersuchungsergebnisse stimmen nicht mit dem überein, was die
Staatsanwaltschaft in der Pressekonferenz erklärt hat."
"Monitor" liegt zudem ein Mitschnitt des Funkverkehrs von
Scharfschützen vor, die dem Lager von Ex-Präsident Janukowitsch
zuzurechnen sind und am Vormittag des 20. Februar offenbar auf
verschiedenen Dächern im Zentrum von Kiew stationiert waren. Dieses
Gespräch wurde von einem ukrainischen Amateurfunker mitgeschnitten,
den "Monitor" getroffen hat. Darauf ist zu hören, wie ein
Scharfschütze seine Kollegen über Funk fragt: "Wer hat da geschossen?
Unsere Leute schießen nicht auf Unbewaffnete." Kurze Zeit später sagt
ein anderer: "Den hat jemand erschossen. Aber nicht wir." Und dann:
"Gibt es da noch mehr Scharfschützen? Und wer sind die?"
Auf Videos ist außerdem zu erkennen, dass die Oppositionellen auf
der Institutska-Straße nicht nur aus Richtung der Regierungsgebäude
beschossen wurden, sondern auch vom Hotel "Ukraina", das in ihrem
Rücken lag. Im Interview mit "Monitor" bestätigt das ein Augenzeuge,
der sich am betreffenden Tag zwischen dem Hotel und den
Regierungsgebäuden aufgehalten hatte und auf mehreren Videos
auszumachen ist: "Wir wurden von vorn beschossen und auch von hinten,
etwa aus der achten oder neunten Etage des Hotel 'Ukraina'. Das waren
auf jeden Fall Profis."
Das Hotel, in dem auch zahlreiche Medienvertreter untergebracht
waren, befand sich an jenem Tag fest in der Hand der Opposition. Am
Morgen des 20. Februar hatte sie Einlasskontrollen eingeführt, in das
Hotel kam nur noch, wer einen Zimmerschlüssel hatte oder sich
ausweisen konnte.
Auch die Anwälte von Angehörigen und Verwundeten erheben schwere
Vorwürfe gegen die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft. Die
bisherigen Ergebnisse der Ermittlungen würden ihnen fast komplett
vorenthalten: "Wir haben nicht gesagt bekommen, welcher Typ Waffen
verwendet wurde, wir bekommen keinen Zugang zu den Gutachten, wir
bekommen die Einsatzpläne nicht. Die anderen Ermittlungsdokumente
haben wir auch nicht. Wir können gar nicht sagen, was aus Sicht der
Staatsanwaltschaft eigentlich passiert ist." Einer der Anwälte
vergleicht das sogar mit den Zuständen in der Sowjetunion und unter
Janukowitsch: "Die Staatsanwaltschaft ermittelt nicht richtig. Die
decken ihre Leute, die sind parteiisch, so wie früher."
Der 20. Februar war der blutigste Tag der Unruhen rund um den
Unabhängigkeitsplatz in Kiew. Nach offiziellen Angaben starben in
allein an diesem Tag auf der Institutska-Straße mehr als 30 Menschen.
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