(ots) - Päpstliche Ouvertüre
Von Raimund Neuß
Die Welt blickt nach Rom. Wie keine andere Religionsgemeinschaft
versteht es die katholische Kirche, innere Vorgänge zu globalen
Medienereignissen zu machen. Das hat Papst Franziskus gestern mit der
Heiligsprechung seiner Vorgänger Johannes XXIII. und Johannes Paul
II. bewiesen. Die Worte des Hirten Franziskus übertönen all das
Gemecker, das aus seiner buntscheckigen Herde zu hören ist. Dieses
ganze Brimborium sei nicht mehr zeitgemäß, kritisieren die
Progressiven, während am rechten Rand vor allem wegen der
Heiligsprechung des Konzilspapstes Johannes XXIII. genörgelt wird:
Franziskus nutze seine Amtsgewalt für ein kirchenpolitisches Manöver.
Ja, diese Doppel-Heiligsprechung zweier Bischöfe von Rom bei
ungeniertem Umgang mit dem Kirchenrecht ist eine beispiellose
Demonstration päpstlicher Autorität. Das verstört die Reformer, und
das ärgert die Konservativen, die zwar viel vom Papsttum, aber wenig
vom aktuellen Papst halten. Gemeinsam glauben die Kritiker von rechts
und von links auch, dass der Papst die Kanonisierung von Johannes
XXIII. aufs Programm gehoben habe, um der ja von ihm angeblich nicht
mehr zu stoppenden Heiligsprechung Johannes Pauls II. etwas
entgegenzusetzen. Dieser Gegensatz lässt sich um so leichter
konstruieren, als das Bild von Johannes XXIII. mehr als 50 Jahre nach
seinem Tod offenbar nach Belieben gezeichnet werden kann: der gute
Mensch von Rom oder der prinzipienlose Weichmacher. Dabei war der
historische Giuseppe Roncalli ein theologisch konservativ
eingestellter und vor allem (wie Johannes Paul II. und wie
Franziskus) höchst machtbewusster Papst, der das Zweite Vatikanum mit
Ausführungen über die Unfehlbarkeit des Lehramtes eröffnete. Vor
diesem Hintergrund wäre es weder historisch richtig noch strategisch
sinnvoll, wenn Franziskus versuchen würde, seine Vorgänger
gegeneinander auszuspielen. Vermutlich will er etwas anderes: Er, der
ohne jeden Rückhalt in der Vatikan-Bürokratie aus Buenos Aires nach
Rom gewechselte Bischof, reklamiert die gebündelte Autorität seiner
Vorgänger. Im Katholizismus hat nur etwas zu sagen, wer sich auf die
Tradition berufen kann, und das tut Franziskus vehement. Seine
demonstrative Herzlichkeit gegenüber seinem gestern anwesenden
unmittelbaren Vorgänger Benedikt XVI. ergänzt das Bild. Franziskus
ist heute seit 411 Tagen im Amt, und was wir bis jetzt erlebt haben,
wirkt wie eine Ouvertüre. Der Papst steckt seinen Machtbereich ab,
weist Kurienmitarbeiter in ihre Schranken, lässt Reformen
vorbereiten. Diese Ouvertüre weckt enorme Erwartungen, ohne dass
schon klar wäre, was fortan auf dem Programm steht. Möglicherweise
gibt es gar kein festes Programm, sondern einfach den Willen, einen
Prozess der Öffnung anzustoßen.
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Kölnische Rundschau
Engelbert Greis
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