(ots) - Eine chronische Unterfinanzierung der ambulanten
Pflege belegt eine aktuelle Expertise des Paritätischen
Gesamtverbandes. Die Vergütungen lägen im Durchschnitt um 48 Prozent
zu niedrig. Die Finanzierungslücke habe bisher nur aufgefangen werden
können durch eine ganz erhebliche Arbeitsverdichtung und schrittweise
schlechter werdende Arbeitsbedingungen. Der Paritätische fordert
deutlich höhere Vergütungen für die ambulanten Pflegedienste. Damit
Mehrkosten nicht auf die Pflegebedürftigen abgewälzt werden, seien
ferner auch höhere Leistungen in der Pflegeversicherung notwendig.
Der Paritätische spricht von Mehrkosten in Höhe von rund einer
Milliarde Euro jährlich.
"Die Rahmenbedingungen in der ambulanten Pflege sind an der Grenze
des Zumutbaren. Dass das gesamte System bis heute nicht kollabiert
ist, ist den Menschen zu verdanken, die vor Ort mit hohem Engagement
an der Grenze zur Selbstausbeutung agieren. Es sind die Löhne für die
Beschäftigten auf der einen Seite und die Zeit für Pflege und
Zuwendung auf der anderen Seite, die auf der Strecke geblieben sind",
so Werner Hesse, Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes.
Neben angemessenen Gehältern und der Berücksichtigung steigender
Betriebskosten wie Benzin für die Einsatzfahrzeuge, seien die Kosten
insbesondere durch neue Anforderungen an die Qualifikation des
Personals und die Dokumentation der Leistungen massiv gestiegen.
Allein der Bürokratieaufwand sei seit 1998 um 16 bis 24 Prozent
angestiegen, so das Ergebnis des Gutachtens. In der Praxis bedeute
die chronische Unterfinanzierung eine "Pflege im Minutentakt", die
für alle Beteiligten eine Zumutung sei. Um angesichts der aktuellen
Vergütung keine Verluste zu machen und letztlich in den Konkurs zu
gehen, müsse ein Pflegedienst heute beispielsweise die sogenannte
"große Morgentoilette" (Unterstützung beim Verlassen des Bettes, dem
An- und Auskleiden, dem Duschen und Frisieren) in weniger als einer
halben Stunde erledigen. Für die Reinigung der Wohnung dürfe eine
Pflegekraft maximal 6 Minuten aufwenden, für die Hilfe beim Essen und
Trinken nur noch eine viertel Stunde.
Der Paritätische fordert die Bundesregierung auf, von der
geplanten Einrichtung eines Vorsorgefonds in der Pflege Abstand zu
nehmen und stattdessen die rund eine Milliarde Euro jährlich in die
Aufwertung der Tätigkeit von Pflegediensten zu investieren. Neben der
Erhöhung der Vergütungen fordert der Verband eine Erhöhung der
Sachleistungsbeträge der ambulanten Pflege, damit Mehrkosten nicht an
den Pflegebedürftigen hängen bleiben. Die Finanzierung der ambulanten
Pflege müsse darüber hinaus künftig nach Zeit und dürfe nicht länger
nach Pauschalen und Modulen erfolgen, um den Anreiz zur Verknappung
von Einsatzzeiten zu beseitigen. Schließlich sei der Leitgedanke der
Menschenwürde - analog zum Sozialhilfegesetz - auch im
Pflegeversicherungsgesetz zu verankern. "Die Pflege braucht wieder
einen Kompass und der heißt Menschenwürde. Die soziale
Pflegeversicherung hat sicherzustellen, dass jeder Mensch eine Pflege
erhält, die der Würde des Menschen entspricht", fordert Werner Hesse.
Die Expertise, ein Pressestatement von Werner Hesse sowie weitere
Hintergrundinformationen finden Sie auf der Internetseite
www.paritaet.org im Pressebereich.
Pressekontakt:
Gwendolyn Stilling, Tel. 030/24636305, E-Mail: pr(at)paritaet.org