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Roland Berger-Studie: Automobilindustrie in Russland im Rückwärtsgang - erhebliche Risiken für Absatz und Produktion

ID: 1057624

(ots) -

- Russland hat die optimistischen Erwartungen von Autoherstellern
und Zulieferern nicht erfüllt
- Zahl der Fahrzeugverkäufe wächst langsamer als bisher
prognostiziert und erreicht bis 2020 lediglich 3.3 Mio.Fahrzeuge
pro Jahr
- Als Absatzmarkt ist Russland nach wie vor attraktiv. Die lokale
Produktion verliert an Bedeutung, zahlreiche Standorte sind
gefährdet
- Der Importanteil kann bis 2020 von heute ca. 30% auf über 50%
ansteigen
- Die erheblichen Risiken für Absatz und Produktion erfordern
sofortiges Gegensteuerung und eine strukturelle Neuausrichtung

Russland ist als Markt für Automobilhersteller nach wie vor
interessant, wird aber die früheren optimistischen Erwartungen der
Branche wohl nicht erfüllen können. Im Gegenteil: Die
Automotive-Experten von Roland Berger Strategy Consultants
prognostizieren in ihrer neuen Marktanalyse "Russia at the
crossroads", dass die Zahl der in Russland pro Jahr verkauften
Fahrzeuge bis 2020 lediglich auf 3,3 Millionen steigen und somit
deutlich unter den früher erwarteten vier Millionen bleiben wird.
Diese gedämpfte Erwartung ist nicht nur der aktuellen politischen
Krise geschuldet, sondern hat vielmehr tiefere makroökonomische und
strukturelle Ursachen, wie mangelnde Diversifizierung der Wirtschaft,
schwaches Wirtschaftswachstum und fehlende Impulse für den Markt.

"Vor diesem Hintergrund erwarten wir dieses Jahr einen erneuten
Rückgang des Marktes um rund sieben Prozent und erst in den nächsten
zwei bis drei Jahren eine Erholung auf das Niveau von 2012", sagt Uwe
Kumm, Managing Partner des Moskauer Büros von Roland Berger.
"Kurzfristig ist die weitere Entwicklung der politischen Lage
ausschlaggebend. Langfristig wird der Markt aller Voraussicht nach
wieder stetig wachsen können, allerdings auch dann deutlich langsamer




als frühere Marktstudien prognostiziert haben." Kumm und seine
Kollegen rechnen für die Jahre 2014 bis 2016 mit einem Wachstum des
Automobilabsatzes in Russland um jährlich rund sechs Prozent, was
einem Nachholeffekt geschuldet ist, und 2016-2020 um jährlich 3,5
Prozent. "Das ist nach wie vor attraktiv, aber die bisherige
Vorhersage von über vier Millionen verkauften Fahrzeugen im Jahr 2020
ist selbst im optimistischen Szenario nicht länger zu halten", sagt
Kumm. Er erwartet deswegen eher einen Markt von 3,3 Millionen
Fahrzeugen in 2020 und auch das sei angesichts der politischen und
makroökonomischen Unsicherheiten mit Fragezeichen zu versehen.

Importanteil wird steigen, lokale Produktion abnehmen

Dennoch betonen die Experten von Roland Berger die Wichtigkeit des
russischen Automobilmarkts: "Russland ist und bleibt einer der
Top-10-Märkte mit erheblichem Potenzial", sagt Jürgen Reers, Partner
im Automotive Competence Center von Roland Berger. "Es wird aber in
den nächsten Jahren erheblich hinter den bisherigen Erwartungen
zurückbleiben und als Produktionsstandort mit angezogener Handbremse,
wenn nicht im Rückwärtsgang unterwegs sein."

Nach den Erkenntnissen der Roland Berger-Experten ändert sich
neben dem verlangsamten Wachstum auch die Struktur des Markts: Denn
im Rahmen von Russlands WTO-Beitritt laufen im Jahr 2018 die Abkommen
zur Unterstützung lokaler Produktion aus. "Dann werden die Vorteile
einer Herstellung in Russland verschwinden", sagt Berger-Partner
Reers. Hinzu kommen sinkende Importzölle auf Komplettfahrzeuge und
eine grundsätzlich schlechte Kostenstruktur der russischen
Produktionsstätten. Der Autoexport aus Russland wird weiterhin eine
sehr geringe Rolle spielen, und aufgrund der Spannungen mit der
Ukraine wird sogar ein wichtiger Exportmarkt wegbrechen. "Selbst
unter der Annahme gleichbleibender Subventionierung lokaler
Produktion würde so der Importanteil im russischen Automarkt von
heute etwa 30 Prozent auf 50 Prozent oder mehr ansteigen", sagt
Reers. Von den momentan noch vor Ort hergestellten Fahrzeugmodellen
ausländischer Autobauer könnten in Zukunft über 40 Prozent nach
Russland importiert werden. Besonders Modelle mit jährlichen
Stückzahlen unter 25.000 seien demnach langfristig in Russland nicht
mehr wettbewerbsfähig zu produzieren. "Deshalb müssen
Automobilhersteller und -zulieferer kurzfristig gegensteuern und ihre
Strategie neu ausrichten", sagt Reers.

Negative Folgen für die gesamte russische Autoindustrie

"Die Mehrheit der russischen Produktionsstätten internationaler
Autohersteller wird mit europäischen Standorten nicht mithalten
können", sagt Juri Wagenleitner, Automotive-Experte bei Roland Berger
und Autor der Studie. "Sie sind zu klein, zu unproduktiv und müssen
zu viel Wertschöpfung über lange Distanzen transportieren. Angesichts
der vorhandenen Überkapazitäten konkurrieren sie zudem gegen variable
Kosten der Stammwerke, die in der Regel gleiche Modelle in höheren
Stückzahlen herstellen." Die Roland Berger-Experten sehen daher ein
erhebliches Risiko, dass bis 2020 viele internationale Hersteller
ihre Produktion und lokale Wertschöpfung in Russland gegenüber
ursprünglichen Planungen deutlich reduzieren könnten. Dann müsste die
gesamte dortige Automobilindustrie mit Einschnitten rechnen:
Insbesondere trifft es die Auftragsfertiger, die heute in der Regel
Modelle mit kleineren Stückzahlen herstellen, aber ebenso russische
Hersteller, die auf eine schlagkräftige Zulieferindustrie angewiesen
sind. Abbau von Arbeitsplätzen, geringere Steuereinnahmen und
negativer Einfluss auf eine sowieso angespannte wirtschaftliche
Situation wären die Folgen.

"Der russische Staat ist gefordert, die wirtschaftspolitischen
Rahmenbedingungen so zu verbessern, dass sich die Produktion in
Russland auch künftig lohnt", sagt Studienautor Wagenleitner. "Es
braucht vor allem eine klare und langfristige Strategie für die
Automobilindustrie, die Herstellern und Zulieferern wieder
finanzielle Anreize zur lokalen Produktion bietet." Die Roland
Berger-Experten sehen die russischen Hersteller in der Pflicht, den
Staat hierbei zu unterstützen und die Aktivitäten mit allen anderen
Beteiligten zu koordinieren. Bis es so weit ist, sei jeder
Marktteilnehmer gut beraten, die eigene Situation zu optimieren und
Risiken abzubauen - zumal, wenn sich die politischen
Rahmenbedingungen nicht oder nicht rechtzeitig besserten.

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Datum: 12.05.2014 - 09:50 Uhr
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