(ots) -
Ein Digitaler Kodex, entwickelt aus einem breit gefächerten
öffentlichen Diskurs unter allen Teilnehmern der Netzgesellschaft,
könnte künftig die fortschreitende Digitalisierung positiv
beeinflussen. Eine solche Richtschnur ist notwendig, um im Netz ein
gemeinsames Grundverständnis von Fairness zu entwickeln. Diese
Auffassung vertrat Matthias Kammer, Direktor des Deutschen Instituts
für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI). Das Institut lotet
seit einem Jahr im Team mit dem Berliner iRights.Lab die
Möglichkeiten für einen Kodex im Netz aus.
Hella Dunger-Löper, Staatssekretärin in der Berlin Senatskanzlei,
unterstrich im Rahmen der dritten öffentlichen
Diskussionsveranstaltung zum Digitalen Kodex die Bedeutung der
Initiative: "Es ist sinnvoll und notwendig, nach neuen Wegen der
Regulierung zu suchen." Neben der komplexen Gemengelage bei
staatlicher Ausspähung des Netzes dürfe aber ein anderer Aspekt nicht
aus dem Blick geraten: Dunger-Löper: "Es geht um die Frage, was
private Unternehmen im Netz tun und ob sie das, was sie tun, dürfen
oder nicht. Wir müssen nachdenken, um aus dem Straßen-kampf auf eine
andere Ebene zu kommen." Gerade Berlin verstehe sich bei diesen
Entwicklungen in vieler Hinsicht als Labor und Vorreiter der
digitalen Gesellschaft.
Marina Weisband, ehemalige Geschäftsführerin der Piraten, warnte
davor, in den Fehler zu verfallen, das Internet national-staatlich zu
denken: "Das ist es nicht. Letzten Endes hat derjenige die Macht, dem
die Infrastruktur gehört. Derzeit liegt sie in den Händen privater
Firmen."
Im Hinblick auf mögliche Regulierungsmechanismen stellte sie
fest:, dass die Infrastruktur jedoch zu wichtig sei, um sie dem
freien Markt zu überlassen: "Nur Regeln, die von den Nutzern gemacht
sind, werden letztlich von den Nutzern auch angenommen und gelebt."
Nach Ansicht von Dr. Jan-Hinrik Schmidt (Hans-Bredow-Institut),
sorgen die dominierenden Player gerade in den sozialen Medien dafür,
dass die Resultate unserer Mitwirkung abgeerntet werden. Schmidt:
"Aber es ist ja nicht so, dass die Nutzer am finanziellen Wert, den
etwa Google oder Facebook an der Börse haben, partizipieren. Das kann
man unter der Perspektive Ausbeutung se-hen. Die Nutzer erbringen
unentgeltlich sehr wertvolle Arbeit.
Als die vier Eckpfeiler der Regulierung vom Nutzerhandeln nannte
er: "Recht, Verträge, soziale Normen und Software." Bei der Frage,
wer die Macht hat, müsse man immer an diese Eckpfeiler denken.
Die Bedeutung der Selbstregulierung als Ergänzung zu gesetzlichen
Regeln unterstrich Susanne Dehmel, Bereichsleiterin Datenschutz bei
BITKOM: "Da kann dieses Instrument eine wichtige Aufgabe leisten."
Peter Schaar, ehemaliger Bundesbeauftragter für den Datenschutz,
dagegen: "Wer soll solche Selbstregulierungsgespräche etwa für
soziale Netzwerke führen? Das wird ein Monolog von Zuckerberg. Es
funktioniert in den wenigsten Fällen."
Schaar zu seinem Verständnis von Datenschutz: "Man muss Menschen
dazu befähigen, ihr Selbstbestimmungsrecht auszuüben, ohne
gravierende Nachteile in Kauf zu nehmen. Da haben wir tatsächlich
eine Entwicklung, wo der Datenschutz im Sinne der Gesetzgebung nicht
mitgekommen ist. Man hat irgendwann aufgehört, die notwendigen Fragen
überhaupt noch zu bearbeiten. Das ist eigentlich eklatantes
Politikversagen."
Dr. Till Kreutzer (iRights.Lab)s untersuchte, ob Transparenz das
Wunder- und Allheilmittel für mehr positives Miteinander im Internet
sein könne. Dazu stellte er drei Thesen auf: "Transparenz ist als
generelles Rechtsprinzip wichtig und selbstverständlich. Transparenz
ist eine Selbstverständlichkeit und kein Regulierungsinstrument. In
der digitalen Welt ist Transparenz als Schutzinstrument ganz häufig
unwirksam."
Sein Fazit: Transparenz funktioniert als Schutzinstrument nur,
wenn auf Seiten des Nutzers ein hohes Maß an Wahl- und
Entscheidungsfreiheit vorhanden ist."
DIVSI-Direktor Matthias Kammer resümierte: "Auch diese
Veranstaltung hat gezeigt, dass auf ganz vielen Feldern Klärungs- und
Handlungsbedarf besteht. Es wurde deutlich, dass dies alles eine
internationale Dimension hat. Doch um die Diskussion überhaupt mal in
Gang zu bringen, fangen wir da an, wo wir zu Hause sind. Deshalb
haben wir gefragt, ob Deutschland einen digitalen Kodex braucht. Ich
denke ja! Das ist auch heute deutlich geworden."
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