(ots) - "Der große Erfolg anti-europäischer Parteien, nicht
nur an den Rändern, sondern im Herzen Europas, stellt die lang
gehegte Annahme, dass der schrittweise Machtzuwachs des Europäischen
Parlaments zu mehr Akzeptanz und Legitimität der EU führen würde,
deutlich in Frage. Wenn in Frankreich die Anti-Europäer die Mehrheit
erringen, müssen wir innehalten und uns fragen, was falsch läuft,"
kommentiert Mark Kayser, Professor für vergleichende
Politikwissenschaft an der Hertie School of Governance, das Ergebnis
der Europawahl 2014 auf dem internationalen Symposium "Governance in
Europe" in Berlin. Andrea Römmele, ebenfalls Professorin an der
Hertie School, sieht die europäische Integration in Gefahr: "Wenn
Europas Politiker meinen, die Krise mit einem blauen Auge überstanden
zu haben, haben sie sich getäuscht. Europa ist geteilter als je - in
Krisenverlierer und solche, die fürchten, den Preis dafür zahlen zu
müssen."
Die empfundene Volksferne könnte zudem ganz handfeste Gründe
haben. Catherine de Vries, Universität Oxford, stellt auf dem
Symposium eine umfassende Feldstudie eine umfassende Studie vor, die
die Brüsseler Volksvertreter nicht gut aussehen lässt: Nur 29 Prozent
der Abgeordneten antworten demzufolge auf Bürgeranfragen. "Das
Antwortverhalten verbessert sich, wenn die Wiederwahl angestrebt
wird. Allerdings dominiert dann die Neigung, bevorzugt auf Fragen
einzugehen, die den Abgeordneten als Interessenvertreter des
jeweiligen Mitgliedstaates ansprechen", so de Vries.
Für Hermann Schmitt, Professor an den Universitäten Manchester und
Mannheim, zeigt die Wahl jedoch auch Fortschritte auf dem Weg der
europäischen Integration: "Die alte Logik, nach der nationale
Regierungsparteien die Europawahl verlieren, stimmt nicht mehr.
Europawahlen sind nicht mehr unbedingt 'Nebenwahlen'. Die Politik der
EU ist zu einer wichtigen Wettbewerbsdimension geworden, die
nationale Streitfragen in den Hintergrund treten lassen kann. Die
Wahl des Kommissionspräsidenten mit der Parlamentswahl zu verknüpfen,
scheint jedenfalls hinsichtlich der Wählermobilisierung funktioniert
zu haben."
Zum internationalen Symposium "Governance in Europe", das ab heute
(27. Mai) im Rahmen des zehnjährigen Jubiläums der Berliner Hertie
School stattfindet, treffen sich rund 400 Sozial-, Politik- und
Wirtschaftswissenschaftler mit politischen Entscheidungsträgern zur
Diskussion des Wahlergebnisses und der Zukunft des europäischen
Modells. Unter den Rednern sind Bundesfinanzminister Wolfgang
Schäuble, der Präsident der Eurogruppe Jeroen Dijsselbloem, die
EU-Kommissarin Kristalina Georgieva, die ehemaligen Staatschefs Mario
Monti und George Papandreou sowie Mitglieder des Europäischen
Parlaments. Im Rahmen des Symposiums wird Mario Monti mit dem BELA
Foundation Award für besondere Verdienste um die europäische
Integration ausgezeichnet. Die Preisverleihung findet am 28. Mai um
9:00 Uhr statt.
Akkreditierungen zum Symposium unter
pressoffice(at)hertie-school.org. Details zum Programm finden Sie hier:
http://bit.ly/EuropeanWeek.
Die Hertie School of Governance ist eine staatlich anerkannte,
private Hochschule mit Sitz in Berlin. Ihr Ziel ist es, herausragend
qualifizierte junge Menschen auf Führungsaufgaben im öffentlichen
Bereich, in der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft
vorzubereiten. Mit interdisziplinärer Forschung will die Hertie
School zudem die Diskussion über moderne Staatlichkeit voranbringen
und den Austausch zwischen den Sektoren anregen. Die Hochschule wurde
Ende 2003 von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung gegründet und wird
seither maßgeblich von ihr getragen.
Pressekontakt:
Regine Kreitz, Head of Communications, Tel.: 030 / 259 219 113, Fax:
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