(ots) - Bei der jährlichen Mitgliederversammlung des
Arbeitgeberverbands HessenChemie standen neben den turnusgemäßen
Wahlen zum Hauptausschuss vor allem politische Themen auf der
Tagesordnung. Der Vorsitzende des Arbeitgeberverbandes, Hartmut
Erlinghagen, kritisierte die aktuellen Gesetzesvorhaben der
Bundesregierung. Vor allem das Rentenpaket die veränderten
Rentenpläne, die Frage der Tarifeinheit und der Mindestlohn
beschäftigen die Arbeitgeber. Anstelle des Ausbaus des Sozialstaats
wünschen sie sich eine nachhaltigere Politik, die die
Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft und Investitionen der
Unternehmen stärken. Auf Basis der derzeit guten Kassenlage oder
vermeintlicher sozialer Wohltaten würden aber Entscheidungen
getroffen, die Bürger und Wirtschaft auf Jahre hinaus zusätzlich
belasten.
Rentenpaket setzt falsche Anreize
Hartmut Erlinghagen nannte in diesem Zusammenhang das jüngst
verabschiedete Rentenpaket der Bundesregierung. "Das geschnürte
Rentenpaket ist falsch - weil es die Probleme infolge des
demografischen Wandels ohne Not verschärft," führte dieser in seiner
Rede vor den ca. 70 Mitgliedsunternehmen aus. Für Erlinghagen sollte
die Aufgabe der Politik vielmehr sein, den Mentalitätswandel hin zu
einer längeren Lebensarbeitszeit zu unterstützen. Die Sozialpartner
der Chemie hatten sich mit ihrem Tarifvertrag "Lebensarbeitszeit und
Demografie" bereits im Jahr 2008 konstruktiv mit dem demografischen
Wandel beschäftigt und Lösungen vorgelegt. Anstatt solche Initiativen
zu unterstützen, starte die Bundesarbeitsministerin durch die Rente
mit 63 ein staatlich verordnetes Frühverrentungsprogramm, das die
Unternehmen vor erhebliche Probleme stelle. Für Erlinghagen ist das
Rentenpaket zudem ungerecht. "Beitragszahler und Rentner müssen den
vorzeitigen Renteneintritt für einige bevorzugte Jahrgänge
finanzieren. Für die nachfolgenden Generationen bleibt damit weniger
Spielraum zur Vorsorge für die eigene Absicherung im Alter," betonte
der Vorstandsvorsitzende.
Mindestlohn schwächt Tarifautonomie
Auch den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn thematisierte
Erlinghagen in seiner 30-minütigen Rede. Er befürchte negative
Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt. Vor allem Jugendlichen ohne
Qualifikation und Langzeitarbeitslosen würde der Arbeitsmarktzugang
erschwert. Problematisch sei der Mindestlohn zudem für freiwillige
Praktikanten. Ihnen dürfte es zukünftig schwer fallen, einen Einblick
in den Beruf zu bekommen. Auch das von den Sozialpartnern der Chemie
erarbeitete tarifliche Integrationsprogramm "Start in den Beruf" ist
für Erlinghagen gefährdet. "Bislang besteht explizit lediglich für
staatliche, nicht hingegen für privat geförderte
Einstiegsqualifizierungen eine Ausnahme vom Mindestlohn," erklärte
er. "Wir benötigen weitere Ausnahmen." Mit dem Förderprogramm
versucht die Chemie, bisher nicht vermittelbare junge Menschen für
eine Ausbildung zu qualifizieren.
Flexibilität in Gefahr
Vielfach enthalten Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen
weitergehende Regelungen zu Arbeitszeitkonten. Die nun formulierten
gesetzlichen Beschränkungen führten für Erlinghagen dazu, dass solche
bewährten tariflichen oder betrieblichen Arbeitszeitmodelle
konterkariert würden. Beispielsweise sehe der Entwurf des
Mindestlohngesetzes vor, dass die über die vertraglich vereinbarte
Arbeitszeit hinausgehenden Arbeitsstunden, die auf Arbeitszeitkonten
angesammelt würden, innerhalb von zwölf Monaten entweder durch
Freizeit oder Auszahlung ausgeglichen werden müssen. Auch dürften
nicht mehr als 50 Prozent der geschuldeten Arbeitsleistung pro Monat
in das Arbeitszeitkonto eingebracht werden. "Während der Finanz- und
Wirtschaftskrise haben gerade die tariflichen Arbeitszeitkonten
wesentlich dazu beigetragen, viele Arbeitsplätze in unserem Land zu
sichern und dauerhaft zu erhalten," betonte Erlinghagen in seiner
Rede.
Tarifeinheit fehlt im Gesetzentwurf
Besonders ärgerte Erlinghagen sich aber in seiner Rede über den
Begriff Tarifautonomiestärkungsgesetz: "Der unter dem Titel
Tarifautonomiestärkungsgesetz auf den Weg gebrachte Gesetzentwurf zum
Mindestlohn entpuppt sich unter dem Strich als ein
Tarifautonomieschwächungsgesetz." Für Erlinghagen zeigt sich, dass
das geplante Gesetz seinem Namen nicht gerecht würde, insbesondere
dadurch, dass die im Koalitionsvertrag angekündigten Regelungen zur
Tarifeinheit nicht Teil des Gesetzentwurfs seien. Die neue
Bundesregierung hatte sich im Koalitionsvertrag für eine gesetzliche
Normierung der Tarifeinheit ausgesprochen.
Wahlen zum Hauptausschuss
Turnusgemäß fanden die Wahlen zum Hauptausschuss des Verbandes
statt. Dieser stellt neben dem Vorstand und der Mitgliederversammlung
das wichtigste Gremium des Verbandes dar. Er wählt unter anderem die
Mitglieder der Tarifkommission. Neu in das Gremium wurden Peter
Bartholomäus (InfraServ GmbH & Co. Wiesbaden KG), Dr. Mathias Behrens
(Technoform Bautec), Joachim Ehlert (Kuraray Europe GmbH), Richard
Mark Engelhard (Engelhard Arzneimittel GmbH & Co. KG), Roland Hehn
(Heraeus Holding GmbH), Manfred Koch (AbbVie Deutschland GmbH & Co.
KG), Heiko Müller (Evonik Industries AG) und Matthias Weber (Procter
& Gamble Service GmbH) gewählt.
Der Arbeitgeberverband HessenChemie
Der Arbeitgeberverband Chemie und verwandte Industrien für das
Land Hessen e.V. (HessenChemie) ist ein Zusammenschluss von 300
Unternehmen der chemischen und kunststoffverarbeitenden Industrie mit
über 100.000 Beschäftigten in ganz Hessen. In den
Mitgliedsunternehmen werden ca. 4.500 junge Menschen in 40
verschiedenen Ausbildungsberufen ausgebildet.
Pressekontakt:
Arbeitgeberverband Chemie und
verwandte Industrien für das Land Hessen e.V.
Ole Richert, Pressesprecher
Telefon 0611/7106-46
Murnaustraße 12, 65189 Wiesbaden
E-Mail: funk(at)hessenchemie.de
Internet: www.hessenchemie.de