(ots) - Niedersachsen prüft Verlegung aller
Sicherungsverwahrten in Spezialeinrichtung
Justizministerin kündigt Konsequenzen aus Fall Reinhard R. an und
stellt Sozialtherapie infrage
Osnabrück.- Das Land Niedersachsen erwägt nach den Vorfällen um
einen entflohenen Schwerverbrecher in Lingen, sämtliche
Sicherungsverwahrte im Land in die Spezialeinrichtung nach Rosdorf
bei Göttingen zu verlegen. Das erklärte Justizministerin Antje
Niewisch-Lennartz (Grüne) im Interview mit der "Neuen Osnabrücker
Zeitung" (Samstag). "Es spricht viel dafür, dass diese Klientel nicht
in die Sozialtherapie zu integrieren ist", so die Ministerin.
Auch ein Ende der Sozialtherapie für Sicherungsverwahrte schloss
sie nicht aus. Es werde überprüft, ob Sicherungsverwahrte überhaupt
einen Anspruch auf Sozialtherapie haben. "Solange diese nicht
abgeschlossen ist, wird kein weiterer Sicherungsverwahrter in die
Sozialtherapie neu aufgenommen", sagte die Ministerin der "Neuen OZ".
Möglicherweise seien auch die Therapieangebote in Rosdorf
ausreichend.
Sie habe angewiesen, die Therapiefortschritte der 12 von insgesamt
42 Sicherungsverwahrten im Land zu überprüfen. Diese sind auf eigenen
Wunsch nicht in der 2013 eröffneten Einrichtung in Rosdorf, sondern
in sozialtherapeutischen Einrichtungen regulärer
Justizvollzugsanstalten (JVA) untergebracht.
Hintergrund der Maßnahmen ist die Flucht eines Schwerverbrechers
in Lingen. Er soll auf einem Freigang aus seiner Sicherungsverwahrung
zunächst ein 13-jähriges Mädchen sexuell missbraucht haben und war
später nicht in die JVA Lingen zurückgekehrt. Hier durchlief er eine
Sozialtherapie. Nach gut einer Woche konnte der 51-Jährige
schließlich in Emmerich gefasst werden. Er hatte die JVA Lingen
angerufen und seinen Standort mitgeteilt.
Die Ministerin wies in dem Interview den Vorwurf der CDU zurück,
sie wolle möglicherweise Ermittlungspannen nach Bekanntwerden der
Anzeige vertuschen. Im Justizministerium würden derzeit die Vorgänge
rund um die Flucht analysiert.
Sie widersprach dem Verdacht, ein Mitarbeiter der JVA Lingen habe
den Flüchtigen möglicherweise gewarnt, als er ihm zwei Tage nach der
angezeigten Tat auf die Mailbox gesprochen habe. "Die Versuche einer
telefonischen Kontaktaufnahme haben auf Bitten der Polizei
stattgefunden", erklärte die Ministerin. "Die Anzeige war aber
sicherlich nicht Thema."
Die Ministerin bestätigte, dass es den Ermittlern am Sonntag nicht
gelungen sei, R. über sein Handy zu orten. Die Polizei habe Hinweise
gehabt, dass er sich zu diesem Zeitpunkt noch in Lingen aufgehalten
habe. Es habe die Hoffnung bestanden, dass er freiwillig in die JVA
zurückkehre. Erst am Montag sei die zuständige Staatsanwaltschaft in
Osnabrück informiert worden.
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