PresseKat - "Das Dirndl ist ein Reflex auf die Informationsgesellschaft"

"Das Dirndl ist ein Reflex auf die Informationsgesellschaft"

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Warum Trachten auf einmal so populär geworden sind

(firmenpresse) - Noch vor Jahren undenkbar, feiern Trachten eine Renaissance. Junge Designerinnen feiern international Erfolg mit ihrer Interpretation von Dirndln. Vor allem auf den unterschiedlichen Volksfesten, natürlich dem Oktoberfest, aber sogar auf Berliner Rummelplätzen entdeckt man nun Trachten. Nicht mehr so wie sie unsere Großeltern trugen. Der Trachtenjanker zur Jeanshose gehört ja inzwischen zu den Must-Have. Aber auch Hirschhornknöpfe und natürlich die Dirndl gehören zum gewohnten Bild. Wie kommt es, dass so ein früher verpöntes Kleidungsstück plötzlich eine Renaissance feiert? Wir sprachen mit einem Trendforscher, dem Freiburger Soziologen Sacha Szabo (http://www.sacha-szabo.de) vom Institut für Theoriekultur (http://institut-theoriekultur.de) .

Warum sind Dirndl wieder In?
Sacha Szabo: Die Renaissance der Dirndl ist ein Reflex auf die Modernisierung, die die unterschiedlichsten Lebensbereiche umfasst. Die Dirndl sind ein Reflex auf die Informationsgesellschaft. Sie sind ein Reflex auf die Globalisierung und sie sind natürlich auch ein Reflex auf die gewandelten Geschlechterrollenbilder.

Können Sie das ausführen?
Sacha Szabo: Angefangen beim letzten Punkt. Die Rollenbilder, was typisch Frau, was typisch Mann ist, sind eigentlich nicht mehr tragfähig. Diese Stereotypen, die es früher halt gab sind entsichert und freigegeben und werden nun als Zitat wieder rekombiniert. Konkret, gerade vor dem Hintergrund dass es nichts "Typisches" mehr gibt, wird dieses umso dringlicher aufgesucht. Als der Mann mit den "feschen Wadln" und die Frau mit "Holz vor der Hütten". Aber diese Renaissance ist nicht nur restaurativ, sondern vielmehr eine spielerische Rekombination. Also gerade weil diese Symbole nicht mehr so bindend sind, kann man jetzt umso unbeschwerter mit ihnen spielen. Es ist kein Widerspruch Feministin zu sein und ein Dirndl zu tragen.

Aber es ist doch im Ursprung eine Volkstracht.
Sacha Szabo: Im Ursprung ja, aber mit den Bergtrachten haben die modernen Dirndl so gut wie nichts mehr gemein. Es ist eher eine Art Maskenball wenn man ein Dirndl zum Oktoberfest trägt. Was ja von den traditionellen Trachtenträgern auch sehr argwöhnisch beäugt wird. Was sich eben bei diesen modernen Dirndln zeigt ist, dass nun vormals in der Tradition verankerte Symbole, jetzt mit der Auflösung dieser Tradition freigesetzt sind und zu individuellen Selbstentwürfen zusammengesetzt werden.





Aber im Ausland gelten Dirndl als typisch Deutsch.
Sacha Szabo: Das muss ja erstmal nichts negatives sein. Die Bayerische Kultur genießt in ganz Deutschland Sympathien und die Bayerischen Trachten wurden letztlich durch den Heimatfilm der fünfziger Jahre populär. Die in Bayern stationierten G.I.´s machten gleichermaßen von der Leutseligkeit, oder besser Bier-Seligkeit Bekanntschaft und machten dann die bayrische Kultur, stellvertretend für die Deutsche Kultur, international bekannt. Es ist der Gegenentwurf zum Deutschen, der sich über die Tradition des preußischen Militarismus über Pflicht und Gehorsam legitimiert. Aber ich glaube nicht, dass so stark auf das Deutsche bezuggenommen wird beim Dirndl tragen. Es ist ja eher so, dass die Identifikation mit Deutschland sehr widersprüchlich ist und, wie viele Identitätsangebote, sehr kritisch hinterfragt wird, ja oft als unpassend zurückgewiesen wird. Es ist eher ein Zitat auf eine vormoderne Lebensweise.

Dirndl sind also altmodisch.
Sacha Szabo: Nein, sie sind ein Zitat auf die Vormoderne, als Landwirtschaft und die körperliche Präsenz noch alltäglich war und diese Vorstellung ist der Gegenentwurf zu einer, dem digitalen verpflichteten, Informationsgesellschaft.

Welche Gesellschaft wird denn gewünscht?
Sacha Szabo: Um es nochmals zu betonen es ist kein restaurativ konservativer Moment, sondern eine spielerische Rekombination die Trachtenträger heutzutage kultivieren. Natürlich spielt auch der Reflex auf die Überforderung, durch die Globalisierung sich auf das eigene zu besinnen eine Rolle, aber es geht mehr um die Gleichzeitigkeit von Enttraditionalisierung und Retraditionalisierung. Es ist ein Spiel. Ein Bild das wunderbar zeigt wie urbane Volkskultur heutzutage aussieht, wurde vor einiger Zeit von der dpa anlässlich der Maikrawallen in Berlin veröffentlich. Es zeigt eine junge Frau im Dirndl, mit grünen Turnschuhen neben einem Punk, der um eine Mülltonne herumtanzt. Das ist das archaisch- anarchische Potential das einer lebendigen Volkskultur innewohnt.

Vielen Dank für das Gespräch

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Datum: 23.06.2014 - 08:00 Uhr
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