(ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) verurteilt die
zahlreichen Ãœbergriffe der israelischen Armee gegen Journalisten seit
Beginn der jüngsten Gewalteskalation im Nahen Osten. Immer wieder
geraten Medienschaffende unter Beschuss der Armee. Andere werden
willkürlich festgenommen und ihre Ausrüstung zerstört oder
beschlagnahmt. Bei Razzien wurden die Redaktionen mehrerer
palästinensischer Medien durchsucht.
In einem jetzt veröffentlichten, ausführlichen Länderbericht
(http://bit.ly/VJbutX) hat ROG untersucht, wie Journalisten in den
Palästinensergebieten auch jenseits des aktuellen Konflikts unter
Druck von allen Seiten stehen. Israels Behörden und Armee schränken
ihre Bewegungsfreiheit ständig ein und scheuen nicht vor Festnahmen,
Gewalt gegen Journalisten oder gar Militärangriffen auf
Redaktionsräume zurück. Hinzu kommen Repressionen durch die
Palästinensische Autonomiebehörde und die islamistische Hamas, die
durch den seit Jahren andauernden Machtkampf beider Faktionen noch
verstärkt worden sind.
"Journalisten sind keine Konfliktparteien und müssen bei
Militäreinsätzen ebenso geschützt werden wie alle anderen
Zivilisten", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Israels Armee
steht in der Verantwortung sicherzustellen, dass Journalisten gleich
welcher Nationalität frei und ohne Angst vor Übergriffen berichten
können."
JOURNALISTEN IM VISIER DER ISRAELISCHEN ARMEE
Drei Mitarbeiter des Fernsehsender Filastin Al-Joum wurden
verletzt, als sie am vergangenen Samstag während eines Live-Berichts
über Zusammenstöße in Ostjerusalem unter Beschuss der israelischen
Armee gerieten (http://bit.ly/1qivLQh): Der Journalist Ahmed
al-Budeiri wurde an der Schulter und in den Bauch getroffen, sein
Kameramann Ahmed Dschaber am Auge und der Techniker Walid Matar am
Kopf. Am gleichen Tag wurde ein Korrespondent des
Hamas-Fernsehsenders Al-Aksa TV, Ahmed al-Chatib, in Tulkarem
festgenommen.
Mehrere Journalisten wurden durch Schüsse der israelischen
Sicherheitskräfte verletzt, als sie am vergangenen Mittwoch im
Jerusalemer Stadtteil Shoafat über Demonstrationen nach dem Mord an
einem jungen Palästinenser berichteten. Unter ihnen war etwa die
israelische Fotografin Tali Mayer (Activestills, Walla News!), die
von einem ummantelten Geschoss ins Gesicht getroffen und schwer
verletzt wurde. (http://bit.ly/1pIT8Xl) Ihr Kollege Oren Ziv wurde am
Arm getroffen.
Schon am 22. Juni durchsuchte die israelische Armee in Bethlehem
das Haus der Brüder Sahib und Fadi al-Assa, die Korrespondenten des
Radiosenders Bethlehem 2000 sind. Sahib al-Assa wurde zu einem
Militärposten mitgenommen und erst nach stundenlangem Verhör über
seine journalistische Arbeit freigelassen. Seinen Ausweis und sein
Handy konfiszierte die Armee.
Am gleichen Tag beschlagnahmten israelische Soldaten bei einer
Razzia in den Büros des Medienunternehmens Palmedia in Ramallah
umfangreiche digitale Datenbestände und zerstörten
Ausrüstungsgegenstände. Auch ein Büro des russischen
Nachrichtensenders RT war betroffen. Laut RT begründete die Armee die
Razzia damit, dass Palmedia als Dienstleister für Al-Aksa TV
gearbeitet habe.
Bei einer Armee-Razzia in den Büros von Transmedia in Nablus,
Ramallah und Hebron hatte die Armee vier Tage zuvor Ausrüstung im
Wert von rund einer Million Dollar beschlagnahmt. Anschließend
ordneten die israelischen Behörden die Schließung des Unternehmens
an, weil es als Produktionsfirma für Al-Aksa TV gearbeitet habe.
LÄNDERBERICHT PALÄSTINENSERGEBIETE: JOURNALISTEN ZWISCHEN ALLEN
FRONTEN
Schon bei früheren militärischen Auseinandersetzungen im Nahen
Osten haben Medienschaffende einen hohen Blutzoll gezahlt: Im
Gazakrieg Ende 2008/Anfang 2009 wurden sechs Journalisten getötet und
mindestens drei Gebäude beschossen, in denen sich Redaktionsräume
befanden. Bei der jüngsten israelischen Gaza-Offensive im November
2012 wurden zwei Journalisten getötet und elf verletzt. Zahlreiche
internationale Medien wurden an Recherchen gehindert.
Der ROG-Länderbericht zur Lage der Pressefreiheit im
Westjordanland und im Gazastreifen zeigt darüber hinaus, wie alle
Konfliktparteien vor allem die Arbeit palästinensischer Journalisten
tagtäglich behindern. So verweigert das Presseamt der israelischen
Regierung geschätzten 95 Prozent von ihnen eine Akkreditierung;
zugleich erkennen israelische Behörden Akkreditierungen der
Autonomiebehörde nicht an. Die Folge: Die meisten palästinensischen
Journalisten können keine israelischen Regierungsvertreter
interviewen, bleiben von vielen Presseterminen ausgesperrt, haben
keinen Schutz vor willkürlichen Festnahmen der israelischen Armee und
können sich angesichts der vielen Kontrollpunkte nicht einmal
innerhalb des Westjordanlands frei bewegen. Einige berichten, an
Kontrollpunkten würden sie gegenüber anderen Zivilisten sogar
benachteiligt.
Hinzu kommen zahlreiche Einschränkungen der Pressefreiheit durch
die jeweiligen Behörden in den Palästinensergebieten. Seit die Hamas
2007 die Kontrolle über den Gazastreifen gewann, waren dort Zeitungen
wie Al-Ajjam, Al-Hajat al-Dschadida und Al-Kuds verboten, die als der
Autonomiebehörde nahestehend gelten. Diese verbot im Westjordanland
im Gegenzug Hamas-nahe Publikationen wie Falestian und Al-Rissala.
Gleiches galt für Fernsehsender. Journalisten mit vermeintlichen
Verbindungen zur jeweils verfeindeten Partei mussten mit
willkürlichen Festnahmen und anderen Repressionen rechnen. Erst mit
der jüngsten Annäherung zwischen Autonomiebehörde und Fatah haben
sich diese Repressionen seit dem Frühjahr gelockert.
Die Sicherheitsbehörden beider Palästinenserfaktionen überwachen
auch das Internet intensiv auf kritische Äußerungen. So sind im
Westjordanland seit 2011 mehrere Journalisten und Aktivisten wegen
Beleidigung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas festgenommen und
teils vor Gericht gestellt worden. Den Anstoß gaben meist kritische
Äußerungen auf Facebook.
Im Gazastreifen verschärfte die Hamas ihre Repressionen gegen
Medien deutlich, nachdem sie im vergangenen Sommer durch den
Machtverlust der verbündeten Muslimbruderschaft im Nachbarland
Ägypten unter Druck geriet. So wurden die Redaktionen der
Nachrichtenagentur Maan und des Fernsehsenders Al-Arabija zeitweilig
geschlossen - offenbar weil sie berichtet hatten, führende ägyptische
Muslimbrüder hätten in einem Hotel in Gaza Zuflucht gefunden.
Den vollständigen (englischsprachigen) ROG-Bericht
"Palästinensische Journalisten - gefangen zwischen drei Seiten"
finden Sie unter http://bit.ly/VJbutX. Israel steht auf der
ROG-Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 96, die
Palästinensergebiete nehmen Platz 138 von 180 Ländern ein.
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Silke Ballweg / Christoph Dreyer
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