(ots) - Geht die Kanzlerin wieder in die Kabine? Nur wenn
die deutsche Mannschaft den Titel holt oder auch, wenn sie das
Endspiel gegen Argentinien verlieren sollte? Diese Fragen sind so
lapidar, wie sie kollektive Fantasien freisetzen. Und sie zeigen, wie
sparsam, aber wirkungsvoll Angela Merkel Gesten und Symbole
einzusetzen weiß. Sport und Politik, das Begriffspaar kommt nicht
immer so harmlos daher wie in diesem Fall. Das Begriffspaar klingt
auch gleich nach einem Skandalon. Dabei sind die beiden Sphären Sport
und Politik so wenig voneinander zu trennen, wie sie stets
ambivalente Wirkungen entfalten. Im internationalen Leistungssport
geht es immer um Nationalstolz, der leicht in Nationalismus
umschlagen kann, und zugleich auch um Fair Play und Verständigung.
Das Integrierende des Sports und die Diskriminierung liegen ebenfalls
eng beieinander. Vor allem aber lässt sich der Sport - die
Identifikation mit den Helden unserer Zeit, die Chance, sich der Welt
als Ausrichter zu präsentieren - trefflich politisch missbrauchen.
Doch auch hier sind die Fragen leichter zu stellen, als die Antworten
zu geben. War es ein Fehler, die letzten Olympischen Winterspiele und
die nächste Fußball-WM an Russland zu vergeben? Oder hat andersherum
betrachtet Wladimir Putin seine kriegerische Politik in der
Ost-Ukraine nicht deshalb beendet, weil er bei der morgigen
Staffelübergabe in Rio de Janeiro nicht mehr als Aggressor
wahrgenommen werden will? Brasilien, Russland, Katar, die Reihe macht
schon deutlich, wie unterschiedlich die Problemlagen sind. Bei der
Vergabe der Spiele und Turniere wie im 20. Jahrhundert fast
ausschließlich den europäisch-nordamerikanischen Club der
vermeintlich Aufgeklärten zu berücksichtigen, kann jedenfalls die
Lösung nicht sein. Es geht vielmehr um die Bedingungen, zu denen die
Weltereignisse des Sports vergeben werden. Und es geht darum, soviel
wie möglich dafür zu tun, dass sie eine positive Wirkung entfalten.
Die Verantwortung der Fifa und des Olympischen Komitees ist enorm
gewachsen, und beide werden ihr zweifelsohne bisher nicht gerecht.
Sie drücken sich mit der Ausrede der Zurückhaltung des Gastes und der
verqueren Haltung, den Sport nicht politisieren zu wollen. Aber auch
wir haben es in der Hand, wie Weltmeisterschaften oder Olympische
Spiele nachwirken. Interessieren wir uns (ganz persönlich, unsere
Politiker, unsere Medien) nach dem Schlusspfiff von Rio noch für die
mörderische soziale Spaltung der brasilianischen Gesellschaft? Oder
schauen wir demnächst lieber weg, wenn die Massen wieder auf die
Straße gehen werden?
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Wolfgang Bürkle
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