(ots) - Nichts eint mehr als ein gemeinsames Feindbild. Und
da Russland in der Ukraine-Krise weiterhin wenig zur Entspannung der
Lage beiträgt, fiel es den versammelten Staats- und Regierungschefs
nicht schwer, mit weiteren Sanktionen gegen Moskau auf ihrem
Sondergipfel wenigstens einen erwähnenswerten Beschluss zu fassen.
Über die ansonsten komplett ernüchternde Bilanz des Treffens kann das
allerdings nicht hinwegtäuschen. Ihre Amtskollegen haben der
überzeugten Europäerin Angela Merkel zu ihrem Geburtstag kein
Geschenk bereitet. Vielmehr haben sie sich wieder einmal beim
Postengeschacher als handlungsunfähig erwiesen und damit alle
EU-Kritiker bestätigt. In schwierigen Zeiten - und sie sind schwierig
- erwarten die Menschen Verlässlichkeit, sie wollen vertrauen. Eine
Institution, die in abgehobenem Proporz-Poker dieses Vertrauen
verspielt, schaufelt sich auf Dauer ihr eigenes Grab. Vermutlich wird
es mit Hängen und Würgen in diesem Jahr noch zur Bildung einer neuen
Kommission kommen, aber strukturell wird dadurch nichts besser. Auf
Dauer muss sich die EU reformieren. Der Vertrag von Lissabon hat die
Defizite in der Verfasstheit keineswegs beseitigt, sondern in der
Wahrnehmung selbst wohlwollender Beobachter weiter verfestigt. Auch
ohne Stammtischbrille erscheint die Union als demokratiefern, teuer
und ineffizient. Und erweist damit der nach wie vor erstrebenswerten
und zukunftssichernden europäischen Idee einen anhaltenden
Bärendienst. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Die
Hoffnung darauf, dass es auch weiterhin genügend Menschen gibt, die
an diese Idee glauben und sie nicht mit der EU in ihrer heutigen Form
verwechseln.
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