(ots) - Nach Einschätzungen des NABU-Dachverbands
BirdLife International gibt es weltweit 361 mehr Vogelarten als
bislang bekannt. Dies geht aus der heute vorgestellten Roten Liste
für alle Vogelarten der Erde hervor, die BirdLife im Auftrag der IUCN
(International Union for Conservation of Nature) erarbeitet hat.
Grundlage ist der erste Teil taxonomischer Untersuchungen, die alle
Nichtsperlingsvögel umfasst, also fast die Hälfte aller Vogelarten.
Die meisten der Neuzugänge waren bislang nur als Unterarten oder
Rassen bekannt. Mithilfe neuer Analysemethoden wurde jedoch klar,
dass sie eigenständige Arten sind. So gibt es nun beispielsweise eine
zweite Straußen-Art: Den Somali-Strauß hielt man zuvor nur für eine
Unterart des Afrikanischen Straußes.
"Besonders besorgniserregend ist, dass ein Viertel der neu
beschriebenen Vogelarten direkt auf der Roten Liste landete. Fast 90
bedrohte Vogelarten sind bislang unter dem Radar des Naturschutzes in
Richtung Aussterben flogen", sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke. Der
neu klassifizierte Somali-Strauß beispielsweise musste - anders als
sein Verwandter - direkt als gefährdet eingestuft werden. Durch Jäger
und Eiersammler nimmt sein Bestand rapide ab.
"Die Ergebnisse zeigen auch, dass der Schutz der Biodiversität
endlich mehr Bedeutung erlangen muss. Wir müssen Arten kennen und
schützen, ehe es zu spät für sie ist", forderte Tschimpke. Ein hoher
Anteil der neu klassifizierten und vom Aussterben bedrohten
Vogelarten lebt in Südostasien. Aufgrund ihrer ausgeprägten Inselwelt
ist die Region bekannt für ihre hohe biologische Vielfalt und
zahlreiche endemische Arten, die nur hier vorkommen. So verschwinden
beispielsweise in Indonesien Lebensräume in atemberaubendem Tempo,
etwa durch die wachsende Bevölkerung und Ölpalmplantagen.
Auch in Europa heimische Arten zeigen alarmierende Entwicklungen,
so etwa der Bartgeier. Während er sich dank aufwendiger
Artenschutzprogramme in Europa langsam erholt, nimmt er in seinem
weltweiten Bestand ab. Sein Tod an Stromleitungen, zunehmende
Störungen in Gebirgsregionen und vor allem Vergiftungen führen dazu,
dass er inzwischen auf die globale Vorwarnliste gerutscht ist. Wie
alle anderen Geierarten ernährt sich auch der Bartgeier von Aas. Und
dies wird ihm zum Verhängnis: Über verendete Tiere nehmen Bartgeier
das entzündungshemmende Medikament mit dem Namen Diclofenac zu sich,
das ursprünglich aus der Humanmedizin stammt und seit den neunziger
Jahren auch verstärkt bei Nutztieren eingesetzt wird. Nehmen die
Geier das Präparat über Aas zu sich, sterben sie an Nierenversagen.
Südlich des Himalayas und in Afrika ist das Ausmaß des Geiersterbens
besonders dramatisch. Hier sind artenübergreifende Bestandseinbrüche
von 60 bis 99 Prozent zu verzeichnen. "Das einstige Millionenheer der
Geier ist auf klägliche Reste zusammengeschrumpft. Dabei spielen die
Vögel eine wichtige Rolle bei der Vermeidung von Krankheiten", so
NABU-Präsident Tschimpke.
Das Ergebnis des zweiten Teils der taxonomischen Untersuchungen
wird für kommendes Jahr erwartet. Hierin werden dann auch alle
Sperlingsvögel neu bewertet. Die Rote Liste der IUCN wird mindestens
alle vier Jahre veröffentlicht. "Die internationale Rote Liste der
Vogelarten hilft dabei, einzelne Arten zu identifizieren, die unseren
Schutz brauchen. Gleichzeitig lenkt sie auch den Blick auf
Schlüsselregionen und -lebensräume, die wir erhalten müssen", sagte
Tschimpke. So legen BirdLife und der NABU besonders wichtige Gebiete
für den Vogelschutz fest, sogenannte "Important Bird and Biodiversity
Areas" (IBAs). In der Europäischen Union dienen diese Regionen unter
anderem als Vorlage für die Europäischen Vogelschutzgebiete im
Natura-2000-Netzwerk.
Pressekontakt:
Konstantin Kreiser, NABU-Experte für internationale Biodiversität,
mobil: 0172-4179730