(ots) - Ingolf Keba wurde 2013 Deutscher Meister
im Gewichtheben und konnte sich dabei als Student gegen seine
Konkurrenten aus der Sportfördergruppe der Bundeswehr durchsetzen,
trotz einer verkürzten Vorbereitung aufgrund eines dreimonatigen
Auslandspraktikums. Daraufhin intensivierte er sein Training, um sich
für die EM zu qualifizieren, konnte aber verletzungsbedingt sein Ziel
nicht realisieren. Ingolf Keba studiert an der Uni Mannheim in
Regelstudienzeit BWL mit einem Notenschnitt von 1,8. Da er fließend
russisch, deutsch und englisch spricht, wählte er im Rahmen seines
Studiums chinesisch als weitere Fremdsprache (Note 1,0), so dass er
nun ein Auslandssemester in Peking absolvieren kann. Der
überraschende Tod seines Vaters im vergangenen Jahr ließ ihn an
seiner sportlichen Karriere, die seiner beruflichen Ausbildung
entgegen zu stehen schien, zweifeln, da er seine Mutter in der Folge
finanziell kaum unterstützen konnte. Als junger Athlet mit
Migrationshintergrund erleichterte ihm der Sport die Integration in
Deutschland. Heute gibt der 27-Jährige deshalb als Mentor in einem
Sportinternat seine Erfahrungen an Nachwuchsathleten weiter und
beaufsichtigt an den Wochenenden junge Sportler im Internat.
Sind Spitzenleistungen in der Sportart Gewichtheben mit einem
Studium vereinbar?
Als junger Nachwuchsathlet war ich fest davon überzeugt, dass man
in der Sportart Gewichtheben nur als Mitglied der Sportfördergruppe
erfolgreich sein kann. Es gab auch keine Athleten, die das Gegenteil
aufzeigen konnten. Mit dieser Einstellung absolvierte ich einen
vierjährigen Dienst in der Sportfördergruppe der Bundeswehr. Doch ich
konnte meine Erwartungen, die ich an mich hatte, nicht umsetzen. Und
es fehlte mir etwas. Ich wollte nicht ausschließlich Sport machen,
also entschied ich mich für ein Studium. Und als Student zeigte ich
dann im vergangenen Jahr bei den Deutschen Meisterschaften eine
mindestens so starke Leistung wie im Jahr zuvor als Vollprofi. Seit
meinem Sieg weiß ich, dass sportliches Gelingen und erfolgreiches
Studium keine gegensätzlichen Ziele sind. Es sind jedoch zusätzliche
Hürden zu meistern, die selbstverständlich ihren Tribut fordern, das
bedeutet: Es kann auch nicht funktionieren und die Verantwortung für
das Scheitern trägt man dann ganz allein.
Was machte den Unterschied in der Vorbereitung aus?
Aufgrund eines mehrmonatigen Auslandspraktikums hatte ich nur eine
knapp achtwöchige Vorbereitung. Diese fiel in die Zeit des
Wintersemesters 2013/14. Ich musste gleichzeitig für sechs Klausuren
lernen und in der Woche fünf bis sechs Mal trainieren. Oft stand ich
spät abends ganz allein in der Trainingshalle und hob mehrere Tonnen
pro Einheit, und am nächsten Morgen verfolgte ich wieder aufmerksam
die Vorlesung in der Universität. Trotz dieser Belastung schrieb ich
keine Klausur schlechter als 2,0. Deswegen hat der Deutsche
Meistertitel für mich auch einen besonderen Stellenwert, da ich mich
als Vollzeitstudent gegen meine Konkurrenten aus der
Sportfördergruppe durchsetzen konnte.
Wenige Monate zuvor wolltest Du dem Leistungssport eigentlich
schon den Rücken kehren.
Im Mai 2013 verstarb plötzlich und unerwartet mein Vater. Dies war
nach dem frühen Tod meines älteren Bruders im Jahr 2010 der
schlimmste Schicksalsschlag, der meiner Mutter und mir passieren
konnte. Ich musste meine gesamte Lebenssituation überdenken, denn ab
diesem Augenblick übernahm ich auch die finanzielle Verantwortung für
meine Mutter, die damals nur geringfügig beschäftigt war. In dieser
Zeit verlor ich völlig den Glauben und den Sinn am Leistungssport.
Täglich begleitete mich der Gedanke, dass ich als Gewichtheber nicht
genügend verdienen könnte, denn in meinem Verständnis musste ich die
Rolle meines Vaters einnehmen, um uns einen angemessenen
Lebensstandard bieten zu können. Ich fing an zu bereuen, dass ich
mich als Jugendlicher für den Leistungssport entschied, dass ich nach
dem Abitur nicht gleich das Studium anfing, denn so würde ich ja
bereits womöglich arbeiten und Geld verdienen. Ich empfand Scham und
Schuldgefühle gegenüber meiner Mutter. Ich fokussierte mich deshalb
anschließend zu 100 Prozent auf die Klausuren und reiste dann für
drei Monate nach Aserbaidschan, um ein Auslandspraktikum zu
absolvieren.
Und trotzdem hast Du anschließend wieder sportlich Vollgas
gegeben.
Durch den Auslandsaufenthalt konnte ich ein wenig Abstand
gewinnen. Ich konnte mich psychisch regenerieren und habe gemerkt,
dass mir der Leistungssport, der seit meinem vierzehnten Lebensjahr
Bestandteil meines Lebens gewesen war, fehlte. Hier mache ich etwas,
was nicht viele können, ich kann körperlich an meine Grenzen gehen,
es ist - im positiven Sinne - wie eine Droge, man empfindet in diesen
Stunden eine gewisse Freiheit vom gesellschaftlichen Druck. Ich kann
es nicht besser erklären, aber das Feuer für den Spitzensport war in
mir wieder entflammt. Während der Vorlesungen schaute ich ungeduldig
auf die Uhr und bin dann teilweise von der Uni ins Training gerannt,
weil ich es kaum erwarten konnte.
Anfang des Jahres hast Du einen Bandscheibenvorfall erlitten, wie
geht es Dir aktuell?
Ich konnte jetzt mehrere Monate nicht trainieren. Momentan arbeite
ich als Praktikant in einem internationalen Unternehmen ganztags am
Schreibtisch, da schießt es mir manchmal regelrecht in den Rücken. Im
September werde ich jedoch für vier Monate für ein Auslandssemester
an die Peking University gehen. Ich habe mir fest vorgenommen, dort
auch wieder zu trainieren und somit neben dem Studium dort auch im
Sport etwas zu lernen.
Du hast gerade das Praktikum angesprochen, das Du bei Deinem
Sporthilfe-Mentor machst. Wie gestaltet sich das für Dich?
Ich bin im März dieses Jahres in das Mentorenprogramm von
"Sprungbrett Zukunft" aufgenommen worden. Das heißt, ich habe
Friedrich Bieselt, Vorstand bei der Lincoln International AG, als
Mentor an die Seite gestellt bekommen, der mich seitdem großartig bei
meiner beruflichen Entwicklung berät. Das ist die absolut beste
Unterstützung, die die Sporthilfe je initiiert hat. Das Programm
"Sprungbrett Zukunft" ist unbezahlbar, nicht nur für mich, sondern
für alle Athleten.
Im Mai 2012 hat die Deutsche Bank im Rahmen der
Sporthilfe-Förderung das "Deutsche Bank Sport-Stipendium" ins Leben
gerufen, durch das die Förderung für studierende Spitzenathleten auf
300 Euro im Monat verdoppelt werden konnte. Aktuell profitieren rund
300 Sporthilfe-geförderte Athleten vom Programm, das mit dem dritten
Semester einsetzt und mit einem Zeitbonus über die Regelstudienzeit
hinaus gewährt wird. Die besonderen Leistungen der studierenden
Athleten sollen mit der Wahl zum "Sport-Stipendiaten des Jahres
zusätzlich herausgestellt und gewürdigt werden - dieses Jahr zum
zweiten Mal. Preisträger 2013 war Hockey-Olympiasieger und
Medizinstudent Martin Häner. Der Preisträger erhält in den folgenden
drei Semestern von der Deutschen Bank den doppelten
Stipendiumsbetrag.
Diese Sporthilfe-Athleten stehen zur Wahl: Malaika Mihambo, Anna
Schaffelhuber, Laura Vargas Koch, Linus Butt und Ingolf Keba. Jeder
Interessierte kann an dieser Wahl bis 22. August teilnehmen:
www.sportstipendiat.de. Unter allen Teilnehmern des Online-Votings
wird ein Kurz-Aufenthalt in Berlin für zwei Personen verlost -
inklusive zwei Ãœbernachtungen, der Teilnahme an der feierlichen
Preisverleihung des Sport-Stipendiaten 2014 am 11. September und
einer privaten Führung mit Blick hinter die Kulissen des Berliner
Olympiastadions.
Kontakt:
Stiftung Deutsche Sporthilfe
Jörg Hahn
Otto Fleck-Schneise 8
60528 Frankfurt am Main
Tel: 069-67803 - 500
Fax: 069-67803 - 599
E-Mail: joerg.hahn(at)sporthilfe.de
Internet: www.sporthilfe.de