(ots) - Die Innenministerin konnte dem Stammtisch nicht
widerstehen. Sie musste es sagen, und zwar sofort nach der Festnahme.
Sollte über die aus Tschetschenien stammenden "Austro-Jihadisten" die
U-Haft verhängt werden, werde sie, Johanna Mikl-Leitner, umgehend
Asylaberkennungsverfahren einleiten. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache
musste das nur noch übernehmen: "Null Toleranz gegenüber
Asylmissbrauch und Gotteskriegern." Dass die Aberkennung des
Asylstatus nicht so einfach sein dürfte wie dargestellt - sei's drum.
Schon taucht allenthalben die Frage auf, warum "solche Leute"
überhaupt Asyl bekommen. Und die FPÖ wird das unter Garantie als
Auftrag verstehen. Die Zuerkennung des Asylstatus für
tschetschenische Flüchtlinge ist allerdings nicht die Wurzel des
Problems: Jeder, der den beiden mörderischen Kriegen sowie der
gnadenlosen Verfolgung durch das Kadyrow-Regime entkommen konnte, der
Gewalt und Tod hinter sich lassen konnte, hat sich die Chance auf
einen Neuanfang verdient. Die Zahl der Asyl-Anerkennungen schrumpft
ohnehin von Jahr zu Jahr - da muss sich der Stammtisch keine Sorgen
machen.
Die Gründe, warum sich junge Leute von den Mörderbanden des
"Islamischen Staats" angezogen fühlen, sind vielschichtig - und zum
Teil durchaus hausgemacht. Da ist zum einen die Perspektivlosigkeit,
die oftmals mit dem Asylstatus zusammenhängt. Allein die Tatsache,
dass Menschen jahrelang auf die Erledigung ihrer Asylverfahren warten
und in dieser Zeit nicht arbeiten dürfen, sondern, zu
Almosenempfängern degradiert, keine Chance haben, ihre Existenz neu
zu ordnen. Ist der Asylstatus einmal zuerkannt, ist es freilich
vorbei mit der Bundesbetreuung - und zwar in jeder Hinsicht.
Viele streng gläubige Tschetschenen, aber auch Pakistanis und
Afghanen etwa leben in abgeschlossenen Familienverbänden, sie sind im
Alltag weitgehend isoliert von anderen Bevölkerungsgruppen.
Schulen und Ausbildungsstätten scheitern an unzugänglichen
Kindern, die mit Sprachproblemen ringen. Oft fehlt es nicht nur an
gezielten Förderungsmaßnahmen der Kinder: Ganze Familienverbände
müssten therapiert, Kriegs-, Folter- und Verfolgungstraumata
systematisch aufgearbeitet werden. Das alles passiert nicht: Die
Menschen bleiben sich selbst überlassen, lernen nie andere als
kriegerische und gewalttätige Konfliktlösungsstrategien - und geben
ihr Trauma oft an ihre Kinder weiter.
Bei der nächsten, jungen, Generation kommt dann oft noch neben dem
Stigma "Ausländer" die Faszination für das kompromisslos-brutale
Auftreten und die archaische Exotik der IS-Kämpfer. Diese momentan
erfolgreichste Islamisten-Gruppe, die sich moderner
Kommunikationsformen bedient, wirkt - so banal es klingt - auf manche
junge Leute einfach sexy.
Man trifft sich dann in Vereinslokalen und Hinterhofmoscheen, die
Öffentlichkeit interessiert kaum, was dort geschieht - solange keiner
auf die Idee kommt, ein Minarett bauen zu wollen. Diese Vereine, die
zum Teil auch öffentliche Mittel für "Integrationsarbeit" kassieren,
müssen viel stärker in die Pflicht genommen werden, dass ihren
Mitgliedern dort nicht radikale Flausen in den Kopf gesetzt werden.
Man wird wohl nie ganz verhindern können, dass sich labile junge
Menschen von falschen Predigern verführen lassen. Aber man sollte es
diesen Leuten so schwer wie möglich machen.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
*** OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER
INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT ***