(ots) - Wegen der eskalierenden Kämpfe in der Ukraine wächst
das Risiko für die Atomanlagen in dem Land. Darauf haben Atomexperten
im Gespräch mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ,
Samstagausgabe) hingewiesen. Derzeit sind in der Ukraine 15 Reaktoren
an vier Standorten in Betrieb. Sie decken rund die Hälfte des
Strombedarfs des Landes. Nur rund 200 Kilometer von der Kampfzone
entfernt stehen die sechs Reaktorblöcke der Nuklearanlage
Saporischschja. Sie gilt als größte Atomanlage Europas.
Gegen einen direkten Beschuss sind die Reaktoren kaum geschützt.
Die Reaktorhülle aus Beton sei nur 1,20 Meter dick und überstehe nur
den Absturz kleinerer Flugzeuge, sagte Tobias Münchmeyer, Atomexperte
von Greenpeace. "Es gibt in der Region viele panzerbrechende Waffen,
die diese Hülle durchschlagen können." Auch ein Angriff auf die
Stromversorgung oder das Stromnetz könne durch den Ausfall der
Kühlung verheerende Folgen haben, wie das Beispiel Fukushima zeigte.
Münchmeyer weist auf ein weiteres Risiko hin: Da alle Meiler
russischer Bauart sind, sei auch die Abhängigkeit von russischen
Experten und Ersatzteilen groß. "Man kann sich vorstellen, dass
nötige Lieferungen jetzt ausbleiben."
Michael Sailer, Atomexperte vom Ökoinstitut in Darmstadt, betonte,
dass nicht nur ein direkter Beschuss des Reaktors ein großes
Sicherheitsrisiko darstellt. Auch die Zerstörung von
Hochspannungsleitungen oder sensibler Anlagen im Umfeld der
Atomanlage könnten fatale Folgen haben. Der Ausfall der
Stromversorgung über mehrere Stunden könne zu einer Kernschmelze
führen. "Dann haben wir eine Situation wie in Fukushima", sagte
Sailer zur WAZ. Da niemand wisse, ob sich die Kämpfe ausweiten,
müssten die Reaktoren möglichst rasch heruntergefahren werden,
fordert er.
Die deutsche Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS)
beobachtet die Entwicklung nach eigenen Angaben sehr genau und ist in
engem Austausch mit den Behörden in der Ukraine. Es gebe aber zurzeit
"keine Informationen, die Anlass zu konkreten Beunruhigungen geben",
teilt die GRS auf Anfrage mit.
Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 - 804 6519
zentralredaktion(at)waz.de