(ots) -
Die Deutschen sind 2014 so entspannt wie lange nicht mehr. Nie
zuvor in der R+V-Langzeitstudie "Die Ängste der Deutschen"
befürchteten so wenige Bundesbürger, dass es mit der Wirtschaft
bergab geht und die Arbeitslosenzahlen steigen. Auf ein Rekordtief
fiel auch die Sorge um die Ãœberforderung der Politiker. Und noch
wichtiger: Der Angstindex, der Durchschnitt aller langjährig
abgefragten Ängste, sank um 2 Prozentpunkte auf 39 Prozent - und
damit auf den niedrigsten Wert seit 20 Jahren. 2014 liegen nur vier
Ängste über der 50-Prozent-Marke. "Am meisten Sorgen machen sich die
Bundesbürger ums Geld, die Umwelt und ihre eigene Gesundheit", so
Rita Jakli, Leiterin des R+V-Infocenters, auf der heutigen
Pressekonferenz in Berlin. "Die Mehrheit der Deutschen befürchtet,
dass die Euro-Schuldenkrise die Steuerzahler teuer zu stehen kommt
und die Lebenshaltungskosten weiter steigen." Mehr als jeder zweite
Bundesbürger hat Angst vor zunehmenden Naturkatastrophen und davor,
im Alter auf Pflege angewiesen zu sein.
Seit mehr als 20 Jahren befragt das R+V-Infocenter in einer
repräsentativen Studie rund 2.400 Bürger nach ihren größten
wirtschaftlichen, politischen und persönlichen Ängsten. Bei den 16
langjährig abgefragten Ängsten steht 2014 die Furcht vor steigenden
Lebenshaltungskosten mit 58 Prozent an der Spitze (Vorjahr: 61
Prozent) und ist damit seit dem Start der Studie im Jahr 1992 bereits
zum 15. Mal auf Platz 1. "Die Bürger registrieren sehr aufmerksam,
dass nicht nur die steigenden Nahrungsmittelpreise zu den hohen
Lebenshaltungskosten beitragen", so Professor Dr. Manfred G. Schmidt,
Politologe an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und Berater
des R+V-Infocenters. "Der weit ausgebaute Sozialstaat und der
anspruchsvolle Umweltschutz in Deutschland fordern ihren Tribut und
verknappen das verfügbare Einkommen vor allem durch hohe
Sozialabgaben und Steuern sowie durch steigende Gebühren für Strom,
Gas, Wasser und Abfallbeseitigung."
Große Angst vor Naturkatastrophen - Bewusstsein für eigenes Risiko
gering
Überschwemmungen durch Starkregen, Hagel, Stürme: Nach dem
verheerenden Unwetterjahr 2013 vergeht auch in diesem Jahr kaum ein
Monat ohne schwere Unwetterschäden. Mit 51 Prozent (Vorjahr: 56
Prozent) liegt die Furcht vor zu-nehmenden Naturkatastrophen wie im
vergangenen Jahr auf Platz 2 der Ängste-Skala - dieses Jahr gleichauf
mit der Angst vor Pflegebedürftigkeit. Erstaunlich: Trotz der großen
Angst vor Naturkatastrophen befürchtet nur knapp jeder fünfte
Bundesbürger (19 Prozent), dass sein eigenes Haus durch Hochwasser,
Hagel oder Sturm schwer beschädigt werden könnte. Das zeigt eine
Sonderbefragung der diesjährigen Ängste-Studie. Offensichtlich sind
sich die meisten Bundesbürger des hohen Unwetterrisikos durchaus
bewusst, hoffen aber, dass sie und ihr Eigentum verschont bleiben.
Auf fremde Hilfe angewiesen: Pflegerisiko im Alter schreckt die
Deutschen
Rund 2,5 Millionen Pflegebedürftige gibt es inzwischen in
Deutschland - Tendenz steigend. Dementsprechend hoch ist auch die
Besorgnis der Deutschen, im Alter anderen als Pflegefall zur Last zu
fallen. Mit 51 Prozent liegt dieses Thema im Ranking der langjährig
abgefragten Ängste gemeinsam mit der Furcht vor Naturkatastrophen auf
Platz 2 (Vorjahr: Rang 3). Frauen (58 Prozent) sind in dieser Frage
wesentlich besorgter als Männer (45 Prozent). "Frauen haben aufgrund
ihrer höheren Lebenserwartung ein viel größeres Pflegerisiko", sagte
Rita Jakli. "Außerdem tragen sie bei der häuslichen Pflege in der
Regel die Hauptlast und wissen deshalb, wie nervenaufreibend und
kostspielig die Situation ist." Und so verwundert es kaum, dass
Frauen mit 54 Prozent auch vor einer schweren Erkrankung mehr Angst
haben als Männer (40 Prozent).
Euro-Schuldenkrise bleibt die Top-Angst
Seit vier Jahren ergänzt das R+V-Infocenter die 16 Standardfragen
der Langzeitstudie um Sonderfragen zur Euro-Schuldenkrise. Und
seither überflügelt die Sorge, dass die deutschen Steuerzahler die
Kosten der Schuldenkrise in der Euro-Zone schultern müssen, alle
anderen Ängste. Obwohl diese Angst gegenüber dem Vorjahr um 8
Prozentpunkte zurückgegangen ist, bleibt sie mit 60 Prozent noch
immer auf hohem Niveau. Laut Professor Schmidt ist die Befürchtung
der deutschen Bevölkerung wohlbegründet: "Deutschland gehört zu den
Ländern, die in großem, überproportionalem Umfang haften und zur
Kasse gebeten werden, wenn überschuldete EU-Mitgliedstaaten
Unterstützung bekommen." An Schrecken verloren hat dagegen die
Befürchtung, dass die Schuldenkrise den Euro gefährden könnte (45
Prozent, Vorjahr: 53 Prozent).
Wirtschaftlich-politische Sorgen auf Rekordtief
Auch wenn sich die gesamtwirtschaftliche Leistung der deutschen
Wirtschaft im zweiten Quartal etwas abgeschwächt hat, ist die
Grundtendenz nach wie vor eher positiv. Das spiegelt sich auch in den
wirtschaftlich-politischen Sorgen der R+V-Ängste-Studie wider. Mit 9
Prozentpunkten am stärksten gesunken ist die Angst vor einer
Verschlechterung der Wirtschaftslage. Sie liegt mit 41 Prozent auf
dem niedrigsten Stand seit 15 Jahren. Auf Rekordtief ist auch die
Sorge, dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland zunehmen könnte (33
Prozent, Vorjahr: 39 Prozent). Und ebenfalls nur noch jeder dritte
Deutsche sorgt sich um die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes.
Überwiegend skeptisch bewerteten die Bundesbürger bisher die
Qualifikation von Politikern. Seit zwei Jahren zeigt die Studie hier
eine Änderung: Während 2012 noch eine Mehrheit von 55 Prozent aller
Deutschen befürchtete, dass die Volksvertreter von ihren Aufgaben
überfordert seien, sind es 2014 nur noch 44 Prozent (Vorjahr: 45
Prozent). Laut Politikexperte Professor Schmidt könnte das
insbesondere drei Ursachen haben: "Erstens das allgemeine
Stimmungshoch im Land. Zweitens die im Vergleich zu anderen Ländern
stabile politische und wirtschaftliche Entwicklung. Und drittens ist
das auch ein Effekt der Großen Koalition im Bund: Die Deutschen
reagieren auf harte öffentliche Debatten sehr sensibel. Ein scharfer
und polarisierender Parteienstreit schürt die politischen und
wirtschaftlichen Ängste, während der gedämpfte, überwiegend
koalitionsintern geführte Wettbewerb wie in der Großen Koalition eher
beruhigt."
Ostdeutsche fürchten drohenden Jobverlust und höhere Ausgaben mehr
Im vergangenen Jahr mit 41 Prozent erstmals seit Beginn der
Studie auf gleichem Niveau, driftet das durchschnittliche Angstniveau
in Ost und West 25 Jahre nach dem Mauerfall wieder leicht
auseinander. Während im Osten 43 Prozent der Bevölkerung sorgenvoll
in die Zukunft blicken, sind es im Westen nur 38 Prozent. Der größte
Unterschied: Das Risiko, den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren,
schreckt 43 Prozent der Ostdeutschen, im Westen sind es 30 Prozent.
Dazu Rita Jakli: "Ein Blick in die Arbeitslosenstatistik vom Juli
zeigt, dass diese Angst durchaus begründet ist: Während im Osten mit
9,4 Prozent fast jeder Zehnte arbeitslos ist, liegt die Quote im
Westen mit 5,9 Prozent deutlich niedriger." Seit Jahren beständig
größer ist in den neuen Bundesländern die Angst vor höheren Ausgaben:
Zwei Drittel aller Ostdeutschen (66 Prozent) befürchten, dass die
Lebenshaltungskosten steigen. Im Westen ist diese Furcht um 10
Prozentpunkte geringer. Und auch aufs Alter und eine mögliche
Pflegebedürftigkeit blicken die Menschen im Osten deutlich
pessimistischer (Ost: 59 Prozent, West: 50 Prozent). Nur eine einzige
Angst ist im Verlaufe der R+V-Studie in den alten Bundesländern schon
immer höher: Im Westen, wo Umweltthemen traditionell stärker
verankert sind, sorgen sich 53 Prozent der Bürger um zunehmende
Naturkatastrophen, im Osten sind es dagegen 46 Prozent.
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