(ots) - Kein Bahnhof weit und breit. Nur eine Haltestelle,
an der der Bus selten stoppt. Ohne eigenes Auto geht auf dem Land oft
gar nichts. Eine Situation, die der demografische Wandel gerade in
abgelegenen Regionen noch verschärfen wird. Der Wettbewerb
"Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen" hat neue Mobilitätskonzepte
prämiert, die auf E-Bikes und Bürgerautos setzen.
Während in Ballungsräumen der öffentliche Nahverkehr so gut
ausgebaut ist, dass immer mehr Menschen auf ein eigenes Auto
verzichten, ist auf dem Land laut einer Studie von TNS Infratest im
Auftrag der Deutschen Bank nur jeder Zweite (56 Prozent) mit der
Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel zufrieden. Mit Bus und Bahn
zur Arbeit, zum Einkaufen oder zum Arzt zu gelangen, ist oft
zeitaufwendig. Zudem fällt es schrumpfenden Kommunen immer schwerer,
eine flächendeckende Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Die Folge sind
vielerorts ausgedünnte Strecken- und Fahrpläne. Das eigene Auto ist
daher für die meisten Landbewohner unverzichtbar: Laut einer
Untersuchung des Center Automotive Research (CAR) der Universität
Essen kamen 2012 in kleineren und mittelgroßen Städten auf 1.000
Einwohner 498 Fahrzeuge. Zum Vergleich: In Berlin waren es 289 Autos.
E-Carsharing als umweltfreundliches Zukunftsmodell
Als Landbewohner auf den eigenen Wagen angewiesen zu sein, wird
besonders für Jugendliche und ältere Menschen oft zum Problem. Damit
das Leben auf dem Dorf auch in Zukunft für alle Generationen
attraktiv bleibt, sind kreative Lösungsansätze für ländliche Regionen
gefragt. "Der Bedarf an zukunftsfähigen Mobilitätskonzepten wie
beispielsweise Bürgerbussen oder E-Carsharing wächst", sagt Prof. Dr.
Wilhelm Bauer, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft
und Organisation (IAO). "Mobilität ist eine der großen
Herausforderungen - nicht nur, aber gerade auf dem Land." Rund 60
Prozent der Fläche Deutschlands ist laut Statistischem Bundesamt
ländlich geprägt. Jeder Vierte lebt heute in einer peripheren Region.
Dennoch sieht der Fraunhofer-Experte in ländlichen Räumen großes
Potenzial, um zukunftsfähige, umweltfreundliche Mobilitätslösungen zu
entwickeln und zu erproben: "Smarte und intermodale Konzepte, die
verschiedene Verkehrsmittel vernetzen, bieten beste Chancen, die
Probleme in ländlichen Regionen zu lösen." Gerade Elektroautos
eigneten sich sehr gut für die Nutzung auf dem Land, so Bauer. "Die
Strecken, die dort durchschnittlich zur Arbeit oder zum Einkaufen
zurückgelegt werden, sind kaum länger als in der Stadt und können mit
dem Elektroauto ohne Aufladepause bewältigt werden. Auf dem Land ist
es zudem leichter, einen Platz für die Aufladestation in der eigenen
Garage zu finden als in der Stadt auf öffentlichen Straßen."
Neues Gesetz fördert ab 2015 E-Mobilität
Trotz dieser Vorteile steigt die Zahl der Fahrzeuge mit
Elektroantrieb in Deutschland nur langsam: Ihr Anteil an den
Pkw-Neuzulassungen lag 2013 laut Kraftfahrt-Bundesamt nur bei 0,2
Prozent. Ein von der Bundesregierung für Februar 2015 geplantes
"Elektromobilitätsgesetz" soll das ändern und mit nutzerorientierten
Anreizen den Absatz von E-Autos anschieben.
Wie Mobilität in ländlichen Regionen in Zukunft aussehen könnte,
zeigen schon heute vier wegweisende Ideen, die im Wettbewerb
"Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen" prämiert wurden. Unter dem
Jahresthema "Innovationen querfeldein - Ländliche Räume neu gedacht"
haben die Initiative "Deutschland - Land der Ideen" und die Deutsche
Bank 2014 die besten Projekte für die Gestaltung von ländlichen
Räumen und Regionen gekürt. Insgesamt 100 Preisträger wurden von
einer Fachjury ausgewählt.
Vier Siegerprojekte für mehr Mobilität in ländlichen Räumen:
E-Carsharing in der Eifel
Umweltfreundlich mit Elektroauto und Pedelec mobil - das sind die
Bürger in fünf Dörfern der LEADER Region Eifel. Während der Testphase
des Projekts "E-ifel Mobil" stellen lokale Energieversorger und die
Kreisverwaltung Düren die Fahrzeuge kostenlos zur Verfügung.
Anschließend soll sich das Modell selbst tragen. Das Ergebnis: Immer
mehr Menschen in der Mittelgebirgsregion entdecken, dass sich
E-Carsharing für Haushaltskasse und Umwelt lohnt.
E-Bike-Verleihsystem in der Region Stuttgart
Selbst für umweltbewusste Berufspendler ist das Auto auf dem Land
oft die einzige Möglichkeit, um zur nächsten Bahnstation zu gelangen.
Die "Nachhaltig mobile Region Stuttgart" bietet eine Lösung mit
E-Bike-Stationen an zahlreichen Bahnhöfen: Zu einem günstigen Tarif
können die Elektrofahrräder nach der Arbeit mit nach Hause genommen
und am nächsten Morgen zurückgebracht werden - und das dank
Vernetzung der verschiedenen Verleihstationen an unterschiedlichen
Orten.
Elektro-Bürgerauto im Schwarzwald
Oberreichenbach macht seit 2012 mit dem Elektro-Bürgerauto mobil.
Per Telefonanruf können hier die Bewohner den Haustürservice buchen
und sich von einem ehrenamtlichen Fahrer zu ihrem Ziel bringen
lassen. Das Bürgerauto ergänzt wochentags von acht bis 20 Uhr das
Angebot des öffentlichen Nahverkehrs in der ländlichen Region. Die
Fahrten kosten zwischen ein und drei Euro. Aufgeladen wird das
Elektrofahrzeug an der Bürgersolaranlage am Rathaus.
Gemeinschaftsauto in Mittelfranken
Im Landkreis Neustadt-Aisch/Bad Winsheim nehmen die Bürger mit der
Genossenschaft "Regional Versorgt" Zukunftsprobleme selbst in die
Hand. Eines ihrer ersten Projekte: ein von den Bürgern finanziertes
Gemeinschaftsauto. Zudem beteiligt sich die Genossenschaft an
Windkraftanlagen und Blockheizkraftwerken, investiert in
Kulturprojekte und Stadtteilläden. Das fördert die Infrastruktur und
hält die ländliche Region lebenswert.
Mehr Informationen zum Wettbewerb "Ausgezeichnete Orte im Land der
Ideen" und das vollständige Interview mit Prof. Dr. Wilhelm Bauer
finden Sie unter: www.innovationen-querfeldein.de
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