(ots) -
Zum 25. Jahrestag des glücklichen Endes der Prager
Botschaftsbesetzung durch DDR-Flüchtlinge spricht Hans-Dietrich
Genscher als "Zeuge des Jahrhunderts" am Sonntag, 28. September 2014,
23.30 Uhr mit ZDF-Chefredakteur Peter Frey.
Zitate von Hans-Dietrich Genscher aus dem Gespräch:
Zum Prozess der deutsch-deutschen Einheit
Genscher widerspricht der gängigen Darstellung, Frankreich sei im
deutsch-deutschen Einigungsprozess der schwierigste Partner gewesen:
"Das ist eine Missinterpretation. Ich bin am 29. November '89 in
Paris gewesen, und da wurde die Frage gestellt, wie steht Frankreich
zur deutschen Einheit? Da hat Mitterrand zu mir gesagt, die deutsche
Einheit ist eine historische Notwendigkeit, und deshalb steht
Frankreich in dieser Frage, wie immer in solchen Fragen, an der Seite
Deutschlands."
Auch die Einführung des Euro sei keine Bedingung Mitterands für
die deutsche Einheit gewesen: "Der Euro, die Euro-Debatte ist im
ersten Halbjahr 1988 neu belebt worden. Ich habe damals ein
Memorandum veröffentlicht als Außenminister (...) wir bekommen einen
gemeinsamen Binnenmarkt, da brauchen wir auch eine gemeinsame
Währung, und mit diesem Memorandum habe ich das gefordert (...) Das
war '88. Und mir erzählt niemand, dass er im Frühjahr 1988 wusste,
dass die Mauer am 9. November 1989 fallen wird. Das sind Legenden,
und ich halte es auch für gefährlich, sie zu pflegen, weil ich
glaube, dass die historische Wahrheit eben eine andere ist."
Gegen die deutsche Einheit stand nur die britische
Premierministerin Margaret Thatcher: "Es gab eine Gegnerin, das war
Frau Thatcher. (...) und die Tatsache, glaube ich, dass Frau Thatcher
in ihren Memoiren Mitterrand vorwirft, er habe sie nicht unterstützt
bei ihrem Widerstand, zeigt ja, dass meine Interpretation richtig
ist."
Zum aktuellen Konflikt um die Ukraine und Russland
"Wenn Sie die Debatte über die Ukraine sehen, die Frage der
Assoziierung, denken Sie daran, dass mit einer Standing Ovation Herr
Putin hier im deutschen Bundestag in Berlin begrüßt worden ist (...)
da hat er sich positiv geäußert zu dem Vorschlag aus der Europäischen
Kommission, eine Freihandelszone mit Russland zu bilden. Hätten wir
diese Freihandelszone bekommen, hätte man mutmaßlich in Moskau sehr
viel anders auch über die Assoziierung der Ukraine gedacht."
Auf die Frage von ZDF-Chefredakteur Peter Frey, ob er damit sagen
wolle, der Westen und auch Deutschland sei mit Putin in den letzten
zehn Jahren falsch umgegangen: "Das ist eine zu harte Formulierung,
aber ich glaube, dass man nicht ausreichend versucht hat, sich auch
in die Schuhe der anderen Seite zu stellen."
"Den Machtverlust Russlands einzuschätzen und in dieser Weise
konstruktiv auf das Land zuzugehen, es ernst zu nehmen (...) das ist
nach meinem Gefühl nicht in ausreichender Weise gelungen. Das kann
die Verantwortung für das, was auf der Krim geschehen ist, nicht
nehmen, aber Entwicklungen sind ja immer langfristig und werden umso
nachhaltiger, je langfristiger sie sind. (...) Es ändert nichts an
der Tatsache, dass es Stabilität in Europa ohne Russland nicht geben
wird, und erst recht nicht gegen Russland."
Ausdrücklich lobt er in diesem Zusammenhang die aktuelle Politik
der Bundesregierung: "Ich bin froh über die Art, wie die
Bundeskanzlerin und der Bundesaußenminister sich darum bemühen,
diesen Kontakt mit Moskau zu halten (...) Ich denke, dass jede Mühe,
sich zu verständigen, sich lohnt. Das andere ist ein gefährliches
Experiment, und da kann ich nur sagen, wehret den Anfängen."
Zur Krise der FDP
Dass er, Genscher, als "Übervater" nicht habe loslassen können, zu
viel Einfluss genommen habe, lässt er nicht gelten: "Nein,
losgelassen habe ich und habe mich auch dann ganz der Außenpolitik
zugewendet. Aber (...) jeder, der in einer Partei eine wichtige Rolle
spielt, sei es durch Amt, sei es durch Ansehen und Einfluss, muss
natürlich eine Mitverantwortung mit sehen. Aber die Entscheidungen
sind in Gremien gefallen, das muss ich auch mal sagen, da kann sich
niemand einen weißen Fuß machen."
Rückblick auf sein politisches Leben
"Ich bereue nichts. Aber dass Sie nicht alles erreichen konnten,
das können Sie als Misslingen bezeichnen, das hat es gegeben."
Das vollständige Gespräch in einer Länge von rund 60 Minuten steht
ab Sonntag, 28. September, unter www.jahrhundertzeugen.zdf.de zur
Ansicht bereit.
Für akkreditierte Journalisten steht die Sendung schon jetzt im
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