(ots) -
- BDI senkt Exportprognose auf bis zu vier Prozent
- TTIP-Skeptiker umstimmen
- Verbraucher profitieren durch niedrigere Preise
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat seine Prognose
für das Exportwachstum im laufenden Jahr von fünf auf bis zu vier
Prozent gesenkt. "Die Weltwirtschaft befindet sich zwar auf einem
moderaten Wachstumskurs, der Schwung bleibt allerdings nach wie vor
aus." Das sagte BDI-Präsident Ulrich Grillo anlässlich der
Vorstellung des neuen BDI-Außenwirtschafts-Reports am Sonntag in
Berlin.
Im Verlauf des Jahres hätten sich die geopolitischen Spannungen
durch die Ukraine-Krise und den Terrorismus im Nahen Osten weiter
verschärft. Hinzu komme das stagnierende Wachstum in der Eurozone.
Für das vierte Quartal rechnet der BDI wieder mit einer etwas
dynamischeren Entwicklung der Exporte.
Zu den Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen der
EU mit den USA, genannt TTIP, sagte Grillo: "Wir müssen versuchen,
die Skeptiker umzustimmen und falsche Argumente widerlegen. Die
Industrie kann und muss ihre Sachkunde einbringen und die Chancen von
TTIP aufzeigen." Zum Beispiel könnten Unternehmen, die mit ihren
Standorten und Beschäftigten eindeutig von TTIP profitieren würden,
viel stärker für TTIP werben. Gemeinsam müssten sie die Bürger davon
überzeugen, dass TTIP Arbeitsplätze sichert und neue schafft. "Die
Verbraucher sollten auch besser darüber informiert werden, welche
Vorteile sie von dem Abkommen erwarten können - sei es durch
niedrigere Preise oder eine größere Vielfalt der Produkte."
Auch die EU-Kommission und Bundesregierung rief Grillo auf, noch
mehr Aufklärungsarbeit zu leisten. "Größere Transparenz in den
Verhandlungen - wie sie der designierte EU-Kommissionspräsident Jean
Claude Juncker angekündigt hat - ist dafür der erste Schritt. Dann
wird sich auch zeigen, dass viele Bedenken unbegründet sind."
Nachfolgend finden Sie das Interview mit Grillo im vollen
Wortlaut.
Frage 1: Herr Grillo, warum ist TTIP für die deutsche Industrie so
wichtig?
Die deutsche Industrie lebt ganz maßgeblich vom Export.
Deutschland ist Export-Europameister und drittgrößter Exporteur
weltweit. Von dem, was wir in Deutschland produzieren, werden rund 45
Prozent exportiert. Freihandelsabkommen erhöhen die Chancen, diese
Position zu stärken. Neben dem Handel sind auch die Investitionen
enorm wichtig: Wenn US-Unternehmen hier investieren, schafft das
Arbeitsplätze. Umgekehrt gilt natürlich das Gleiche. Die USA sind der
größte Markt, mit dem die EU je über ein Freihandels- und
Investitionsabkommen verhandelt hat. In TTIP steckt ein enormes
Potenzial.
Frage 2: Mit den USA läuft der Handel doch relativ reibungslos.
Warum ist es so wichtig, gerade mit den USA gemeinsame Regeln und
Standards zu entwickeln?
Von den deutschen Warenexporten gehen acht Prozent in die USA. Das
ist beachtlich, aber durchaus noch ausbaufähig. Weitaus wichtiger ist
die Tatsache, dass uns mit den USA ähnliche gesellschaftliche
Wertvorstellungen - wie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie -
verbinden. Deshalb sollten wir gemeinsam versuchen, Regeln für den
Welthandel zu entwickeln.
Frage 3: Profitieren von TTIP nicht nur Großunternehmen?
Nein. Gerade für unseren Mittelstand sind die nicht-tarifären
Handelshemmnisse wie Regulierungen oder Standards ein Problem. Einige
davon könnten wir mit Hilfe von TTIP aus dem Weg räumen - indem zum
Beispiel die Regulierer, die für unterschiedliche Normen und
Standards verantwortlich sind, mit am Verhandlungstisch sitzen und
überlegen, welche Bereiche sich harmonisieren lassen.
Frage 4: Führt die angestrebte Harmonisierung nicht letztlich zu
einer Senkung der Standards?
Eine Absenkung von Standards liegt absolut nicht in unserem und
sicherlich auch nicht im Interesse der Europäischen Kommission.
Produkte "Made in Germany" sind bekannt für ihre hohe Qualität.
Diesen Wettbewerbsvorteil werden wir nicht leichtfertig aus der Hand
geben. Die Unterhändler müssen genau prüfen, wo beispielsweise eine
Harmonisierung oder gegenseitige Anerkennung möglich ist.
Frage 5: Können Sie uns Beispiele dafür nennen, wann dies möglich
ist und wann nicht?
Beides lässt sich am Beispiel der Chemieindustrie gut darstellen.
In der EU muss ein Hersteller oder Importeur ein
Registrierungsdossier einreichen, um einen Stoff zu vermarkten. In
den USA benachrichtigt der Hersteller die Umweltschutzbehörde
darüber, dass er beabsichtigt, einen Stoff zu vermarkten. Die
Unterschiede beider Systeme liegen im Umfang der einzureichenden
Informationen. Eine gegenseitige Anerkennung ist deshalb nicht
möglich. Denkbar wäre allerdings die gegenseitige Anerkennung der
Laborinspektionen. Dadurch würden überflüssige Kosten vermieden.
Derzeit werden solche Inspektionen doppelt durchgeführt, sowohl von
den europäischen wie von den US-Behörden.
Frage 6: Was ist nun aus Ihrer Sicht zu tun, um das Projekt zum
Erfolg zu bringen?
Wir müssen versuchen, die Skeptiker umzustimmen und falsche
Argumente widerlegen. Die Industrie kann und muss ihre Sachkunde
einbringen und die Chancen von TTIP aufzeigen. Zum Beispiel könnten
Unternehmen, die mit ihren Standorten und Beschäftigten eindeutig von
TTIP profitieren würden, viel stärker für TTIP werben. Gemeinsam
müssen wir die Bürger davon überzeugen, dass TTIP Arbeitsplätze
sichert und neue schafft. Die Verbraucher sollten auch besser darüber
informiert werden, welche Vorteile sie von dem Abkommen erwarten
können - sei es durch niedrigere Preise oder eine größere Vielfalt
der Produkte.
Frage 7: Was erwarten Sie von der Politik?
In meinen politischen Gesprächen spüre ich eine große Offenheit
für TTIP. Allerdings müssen EU-Kommission und Bundesregierung noch
mehr Aufklärungsarbeit leisten. Größere Transparenz in den
Verhandlungen - wie sie der designierte EU-Kommissionspräsident Jean
Claude Juncker angekündigt hat - ist dafür der erste Schritt. Dann
wird sich auch zeigen, dass viele Bedenken unbegründet sind.
Frage 8: Wie beurteilen Sie die Nominierung von Cecilia Malmström
als neue EU-Handelskommissarin?
Die designierte Handelskommissarin Cecilia Malmström muss die
Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA nutzen, um die Reform des
internationalen Investitionsschutzes voranzutreiben. Für die weltweit
agierende deutsche Wirtschaft ist der Schutz von Investitionen im
Ausland unverzichtbar.
Frage 9: Die USA und Kanada haben doch auch wie Deutschland eine
unabhängige Justiz. Warum ist der Investitionsschutz dann so wichtig?
Wir wollen den Investitionsschutz reformieren, aber nicht darauf
verzichten. Wir brauchen bessere Investitionsschutzabkommen, die dem
Staat garantieren, weiterhin Gesetze und Regulierungen zum
Allgemeinwohl erlassen zu können. Gleichzeitig müssen aber auch
deutsche Investitionen im Ausland vor direkter und indirekter
Enteignung, vor Diskriminierung und unfairer Behandlung geschützt
werden. Dafür haben sich Investitionsschutzklauseln und
Investor-Staat-Schiedsverfahren (ISDS) seit Jahrzehnten bewährt.
Im aktuellen BDI-Außenwirtschafts-Report 3|2014 finden Sie neben
dem Interview mit BDI-Präsident Ulrich Grillo weitere Beiträge zum
Thema TTIP und zu aktuellen Entwicklungen in der
Außenwirtschaftspolitik:
http://bdi.eu/download_content/Marketing/AW_3_2014_web.pdf
Pressekontakt:
BDI Bundesverband der Dt. Industrie
Presse und Öffentlichkeitsarbeit
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