25 Jahre nach Mauerfall steigen bei der Aktion LICHTGRENZE Ballons in den Berliner Himmel – jeder mit einer Geschichte!
Einen Tag nach dem Mauerfall stand die Berliner Unternehmerin Anita Gödiker am ehemaligen Grenzübergang Helmstedt und verteilte Straßenkarten von West-Deutschland an die Trabi- und Wartburgfahrer auf ihrem Weg in den Westen. Für ihre Geschichte ist die Berlinern von Radio Berlin 88,8 zur Ballonpatin auserwählt worden.
(firmenpresse) - Als die Siemens- Vertriebsbeauftragte Anita Gödiker im November 1987 im Hotel Excelsior in Berlin widerwillig einem Standortwechsel von Bremen nach West-Berlin zustimmte, war ihr klar: Zwei Jahre und nicht länger hältst Du es in dieser Mauerstadt aus und machte es zur Vertragsbedingung.
Kurz bevor ihr beruflicher Exkurs in Berlin endete, am 7. November 1989, war sie über die Transitstrecke von West-Berlin mit dem Auto ins Emsland gefahren – mit allen üblichen Schikanen beim Passieren der beiden Grenzübergänge in Berlin-Dreilinden und Helmstedt. Es sollte das letzte Mal gewesen sein.
Da ihre Mutter im Krankenhaus lag und sie sich auch um ihren Vater kümmern musste, hatte sie vom Mauerfall am 9. November nichts mitbekommen. „Am nächsten Morgen rief mich ein Freund an und meinte scherzhaft, man würde jetzt sicher meine Wohnung in Berlin besetzen, da ja die Mauer gefallen sei. Wie vor den Kopf geschlagen schaltete ich das kleine Nordmende-Fernsehgerät auf dem Eckschränkchen ein und konnte nicht glauben, was ich da sah.“ Sie packte sofort ihre Siebensachen und rief ihrem verdutzten Vater nur noch zu: „Ich musst nach Berlin. Sofort! Jetzt!“
Ab Hannover bis Helmstedt war die Gegenfahrbahn voll mit Trabis und Wartburgs, die gen Westen fuhren. Gegen 14.30 Uhr erreichte sie Helmstedt. „So schnell wollte ich noch nie am Grenzübergang sein. Die Grenze war offen, die Pass-Förderbänder standen still. Lachende, freundliche Grenzer mit hochgekrempelten Ärmeln haben uns alle, die wir aus dem Westen kamen, einfach durchgewinkt.“
Völlig aus dem Häuschen verschenkte Anita Gödiker selbstgemachte Erdbeermarmelade aus dem heimischen Emsland an dankbare Grenzer. „Die konnten lächeln. Das machte sie plötzlich menschlich. So als ob ihre Mimik ein „Wir-konnten-doch-auch-nichts-dafür“ ausdrücken wollte. Dieser Moment treibt mir noch heute Tränen in die Augen.“
Die Stimmung war unbeschreiblich. „Davon wollte ich mehr aufsaugen.“ Also stellte sie ihr Auto ab – und keiner hatte was dagegen. Der damalige Ministerpräsident Ernst Albrecht verteilte auf der Gegenfahrbahn gerade heißen Tee, Kartoffelsalat und heiße Würstchen an die Heerschar von Trabi- und Wartburg-Einreisenden.
Die standen – mehr als dass sie fuhren – in Dreierreihen nebeneinander bis kurz vor Magdeburg. Menschen außer Rand und Band. Ein Bild des puren Freudentaumels. „Ein aufgeregter Trabi-Fahrer fragte mich dann über den Maschendrahtzaun hinweg nach dem Weg nach Hamburg. Einfach geradeaus! habe ich im Eifer des Gefechtes – wild mit dem Armen gestikulierend – erklärt.“
Dann kam ihr eine Idee: „Ich war damals für Siemens viel mit Mietautos unterwegs. Navis gab es damals noch nicht und so lagen seinerzeit immer diese praktischen Straßenkarten auf den Beifahrersitzen. Die habe ich fleißig gesammelt, die waren im Freundeskreis heißbegehrt.“ An die 25 Wegweiser lagen in Handschuhfach und Seitentaschen. Die schnappte sie sich, rief „Wer sucht den Weg nach Westen?“ und warf sie alle unter gigantischem Jubel über den Zaun.
„Nach zwei Stunden machte ich mich wieder auf den Weg nach Berlin. Wie gewohnt mit sturem Tempo 100 km/h. Als ich dann immer wieder von rasenden Wessis – den Begriff gab es damals aber noch nicht – mit satten 160 bis 200 km/h überholt wurde, gab auch ich Gas.“ Jetzt konnte die einstige Skeptikerin gar nicht schnell genug nach Berlin kommen. Noch am Abend stand sie voller Ehrfurcht und stiller Dankbarkeit am Brandenburger Tor. Ende November 1989 verlängerte sie auf eigenen Wunsch den Vertrag bei Siemens in Berlin. Aus zwei Jahren sind mittlerweile 27 Jahre geworden.
Zu Mauerzeiten besuchte Anita Gödiker oft einen Freund in seiner Penthouse-Wohnung in der Charlottenstraße / Ecke Kochstraße. Von hier hatte man einen sehr guten Blick auf „die andere Seite“. „Wir haben uns immer versucht vorzustellen, was wohl gerade im Ostteil der Stadt vor sich ging – was nicht viel war. Hätte mir zu dem Zeitpunkt jemand gesagt, dass ich genau an diesem Standort, auf der anderen Seite der Mauer, nämlich an der Charlottenstraße / Ecke Zimmerstraße 1997 mein erstes Business Center eröffnen würde, hätte ich ihn für verrückt erklärt.“
Doch Wunder geschehen nun einmal. „Den Mauerfall habe ich zwar verpasst, aber diese Augenblicke an der offenen Grenze in Helmstedt auf dem Weg nach Berlin, das dann meine Heimat werden sollte, werde ich nie vergessen.“
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Anita Gödiker
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