(www.rettungsdienst.de; 23.10.2014) - Die Volksrepublik China will ihr gesamtes Rettungssystem nach deutschem Vorbild reorganisieren. Eine Mammutaufgabe, für deren erfolgreiche Umsetzung die Björn-Steiger-Stiftung verantwortlich ist. www.rettungsdienst.de liegen Details des als vertraulich gehandelten Plans vor.
(firmenpresse) - Ende März 2014 machte eine Nachricht die Runde, wonach die Volksrepublik China ihr Rettungsdienstsystem nach deutschem Vorbild umstrukturieren möchte. Diverse deutsche (Groß-)Konzerne wurden in diesem Zusammenhang genannt, die an dem Projekt partizipieren wollen. Wenige Monate später scheinen sich diese Planungen konkretisiert zu haben. So wird es zwei Modellprojekte in den chinesischen Städten Wuhan (10 Millionen Einwohner) und Jieyang (6,8 Millionen Einwohner) geben, wie das Bundesgesundheitsministerium auf Nachfrage von www.rettungsdienst.de bestätigte. Bei positivem Verlauf könnte es anschließend schrittweise auf andere Provinzen und schlussendlich die gesamte Volksrepublik China ausgedehnt werden.
Das Paket umfasst den gesamten bodengebundenen Rettungsdienst inklusive die technische Hilfeleistung zum Beispiel nach Verkehrsunfällen sowie die Luftrettung. Perspektivisch wird auch die Wasser- sowie Seenotrettung hinzukommen.
Auftakt in 6,8-Millionen-Stadt
Federführend erfolgt die Umsetzung durch die Björn-Steiger-Stiftung (BSS). Sie führt im Auftrag der deutschen Bundesregierung sämtliche Planungen und Verhandlungen mit den chinesischen Stellen.
Seitens der Björn-Steiger-Stiftung ist keine offizielle Stellungnahme zu der als „Verschlusssache“ behandelten Planung zu erhalten. Es scheint aber festzustehen, dass man sich eine 28-monatige Vorbereitungsphase einräumt, ehe der Rettungsdienst „Made in Germany“ operativ in Erscheinung tritt. Innerhalb von drei Jahren sollen fünf angrenzende Städte mit insgesamt 27 Millionen Einwohnern hinzugenommen werden. Im vierten Jahr, so die Planungen, werde das System dann auf die gesamte Provinz Guangdong ausgedehnt, sodass mit einer Vollversorgung und dem Regelbetrieb innerhalb von acht Jahren zu rechnen ist. Durch die in Guangdong gewonnenen Erfahrungen sollen alle weiteren Provinzen binnen fünf Jahren auf deutschen Standard gebracht werden.
Imposante Zahlen
Allein die Einwohnerzahlen lassen erahnen, welche Dimension das China-Projekt haben wird. Für die Provinz Guangdong kalkulieren die Verantwortlichen nach unbestätigten Angaben mit…
• …einem nationalen Ausbildungszentrum für den Rettungsdienst,
• …drei Rettungsleitstellen,
• …2.375 Rettungswachen,
• …4.800 Rettungswagen,
• …1.200 Notarzt-Einsatzfahrzeugen,
• …1.200 Vorausrüstwagen,
• …73 Luftrettungszentren und
• …80 Rettungshubschraubern.
Personell sollen in einem ersten Schritt…
• …2.640 Leitstellendisponenten,
• …52.800 Notfallsanitäter,
• …4.400 Notärzte,
• …39.600 technische Retter und
• …292 Hubschrauberpiloten
ausgebildet und eingestellt werden. Hinzu kommt Personal für Ausbildung, Logistik und Verwaltung.
Für die Aufbau- und erste Betriebsphase wird mit Kosten in Höhe von rund zehn Milliarden Euro gerechnet. Das gesamte China-Projekt veranschlagen Insider auf knapp 100 Milliarden Euro.
Finanziert werden die Einführung und der Betrieb des Rettungssystems über eine neue Steuer. Sie wird als Aufschlag zur Mobilfunkrechnung erhoben und beträgt umgerechnet zirka einen Euro pro Vertrag und Monat. Um der Bevölkerung die Notwendigkeit der Mehrkosten und die daraus für jedermann erwachsenden Vorteile deutlich zu machen, sind umfangreiche Marketingmaßnahmen geplant. Wie zu hören war, ist unter anderem von einer Variante der ehemaligen RTL-Serie „Notruf“ für das chinesische Fernsehen die Rede. Dabei soll den Zuschauern die Arbeit der Einsatzkräfte, vor allem aber die deutsch-chinesische Freundschaft und der Faktor „Made in Germany“ nähergebracht werden.
Pierre-Enric Steiger, Präsident der Björn-Steiger-Stiftung, hüllt sich zu den China-Plänen in Schweigen. Foto: BSS
Pierre-Enric Steiger, Präsident der Björn-Steiger-Stiftung, hüllt sich zu den China-Plänen in Schweigen. Foto: BSS
Deutsche Qualität zählt
Die von Chinesen offenbar sehr geschätzte deutsche Qualität spiegelt sich nicht nur in der Übernahme der gesamten deutschen Rettungsdienstlogistik wider. Es werden sich vermutlich auch ausschließlich deutsche Marken von internationalem Bekanntheitsgrad wiederfinden. Dies konfrontiert dann das eine oder andere Unternehmen mit ganz neuen Aufgaben. Adidas zum Beispiel ist bislang als Konfektionär von Einsatzkleidung für Rettungsfachkräfte weder in Deutschland noch in der EU aufgefallen. Für das China-Geschäft erhielt Adidas allerdings den Zuschlag und wird die fernöstlichen Einsatzkräfte künftig mit Schutzkleidung ausstatten. Grund: Adidas verfügt über die erforderlichen Produktionskapazitäten und besitzt schon heute eine Fertigung in der Volksrepublik China. Das erforderliche Know-how für den Spezialauftrag, Rettungsdienstbekleidung anfertigen zu müssen, werden sich die Herzogenauracher vermutlich einkaufen.
Grundsätzlich liest sich das Verzeichnis beteiligter Unternehmen wie das Who-is-Who der deutschen Industrie: Rettungswagen auf Mercedes Sprinter (Kastenwagen) und Notarzt-Einsatzfahrzeuge auf VW Amarok. Das jeweilige Ausbaukonzept entwickelte System Strobel; die fachliche Beratung zur Ausstattung stammte von Lührs Rescue aus Münster. Die Rettungshubschrauber vom Typ EC 145 T2 wird Airbus liefern, die Vorausrüstwagen auf Unimog erhalten einen Ziegler-Aufbau, die Leitstellentechnik kommt von Siemens und die Gebäude- sowie Fahrzeugsicherung stammt von Bosch. Dräger kümmert sich zentral um die Beschaffung der medizinischen Gerätetechnik. Hierzu gehören nicht nur Beatmungsgeräte aus dem eigenen Hause, sondern unter anderem auch Spritzenpumpen von B. Braun oder Absaugpumpen von Weinmann.
Schule für 100.000 Retter
Ambitioniert sind auch die Ausbildungspläne. Sie betreffen Leitstellendisponenten, Notfallsanitäter, Notärzte, Piloten und technische Retter – also die Besatzungen der Vorausrüstwagen. Das zu bauende nationale Ausbildungszentrum wird zeitgleich 100.000 Teilnehmer aufnehmen können und ihnen neben Unterrichtsräumen auch Übernachtungsmöglichkeiten bieten. Das Zentrum soll in der Stadt Jieyang entstehen und im Mai 2017 fertiggestellt sein. Bis dahin findet die Ausbildung übergangsweise in einer ehemaligen Kaserne statt, die 25.000 Auszubildenden Platz bietet.
Die Ausbildungsinhalte sollen sich dem Vernehmen nach stark an deutschen Vorgaben orientieren. In Einzelfällen scheinen allerdings Kompromisse erforderlich zu sein, um sie den chinesischen Bestimmungen anzupassen. So ist es in der Volksrepublik China per Gesetz vorgeschrieben, dass Patienten nur von Personen behandelt werden dürfen, die ein abgeschlossenes Medizinstudium besitzen. Um den künftigen chinesischen Notfallsanitätern die Möglichkeit zu geben, ebenfalls lebensrettende Maßnahmen zu ergreifen, erhalten sie eine Sondergenehmigung.
„Erkauft“ wurde sich diese Anpassung des Gesetzes mit einer Reduzierung der Ausbildungsdauer. Statt der in Deutschland vorgesehenen dreijährigen Qualifizierung zum Notfallsanitäter wollte die chinesische Seite nur eine Ausbildung im Umfang von zwölf Monaten. Der Kompromiss, auf den sich die Vertragspartner offenbar geeinigt haben: zwei Jahre Ausbildung und einmal im Quartal für zwei Tage zur Fortbildung. Für Notärzte gilt ebenfalls die Vorschrift, alle drei Monate ein Simulationstraining absolvieren zu müssen.
Federführend verantwortlich für die Ausbildung des medizinischen Personals wird das Institut für Patientensicherheit und Teamtraining (InPass) aus Reutlingen sein.
Stellt sich die Frage, wie die Björn-Steiger-Stiftung – eine Organisation mit vermutlich wenigen hundert Mitarbeitern – in der Lage ist, solch eine Mammutaufgabe zu bewältigen. Ohne dass massiv zusätzliches Personal eingestellt wird, kann das kaum gelingen. Hinzu kommt, dass die Björn-Steiger-Stiftung bislang noch nie selbst im operativen Rettungsdienst tätig war, es also an Erfahrung fehlen dürfte.
Von chinesischer Seite war zu hören, dass die BSS in China eine eigene Stiftung mit Sitz in Peking gründen wird. Sie soll dann auch Arbeitgeber der künftigen Rettungsdienst-Mitarbeiter sowie offiziell Eigentümer aller Rettungsmittel sein. Die BSS würde damit innerhalb weniger Jahre zu einem der größten Rettungsdienstbetreiber weltweit werden – wenn alles nach Plan läuft.
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