(ots) - Vor dem Deutschland-Besuch des kolumbianischen
Präsidenten Juan Manuel Santos am Mittwoch fordert Reporter ohne
Grenzen mehr Schutz für bedrohte Journalisten in dem
südamerikanischen Land. Die Zahl der Todesdrohungen gegen
investigative und kritische Reporter hat in diesem Jahr massiv
zugenommen. Dahinter stehen meist Verbrecherkartelle und
paramilitärische Gruppen, die auf diese Weise jegliche kritische
Berichterstattung über ihre Aktivitäten ersticken wollen.
"Die kolumbianischen Behörden müssen endlich verlässlichen Schutz
für Journalisten garantieren, die unter Lebensgefahr über wichtige
Themen wie Korruption oder die zwielichtigen Verstrickungen von
Politikern und Verbrecherkartellen recherchieren", forderte
ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Jede derartige Drohung muss
minutiös aufgeklärt werden, um die Verantwortlichen zu finden und die
Kultur der Straflosigkeit zu durchbrechen."
Im jüngsten Fall verlangte ein namentlich bekanntes Mitglied der
Neonazi-Gruppe Restauracion Nacional vom Chefredakteur des
Nachrichtenportals Las 2 Orillas, Gustavo Rugeles, einen kürzlich
veröffentlichten Bericht aus dem Netz zu nehmen. Andernfalls werde er
ihn sich "persönlich vorknöpfen", drohte der Rechtsextremist
vergangene Woche in einem Anruf. (http://t1p.de/icej) Rugeles
recherchiert seit drei Jahren zu den Verbindungen zwischen Neonazis,
Paramilitärs und Politikern und ist deshalb vielfach bedroht werden.
Seit einiger Zeit erhält er staatlichen Schutz, der jedoch jüngste
nach einer Neubewertung reduziert wurde.
PARAMILITÄRS ERKLÄREN JOURNALISTEN ZU "MILITÄRISCHEN ZIELEN"
Ende September schickte die paramilitärische Gruppe Los Urabenos
eine Drohbotschaft an acht Journalisten in der Provinz Valle del
Cauca. Darin bezeichnete die Gruppe sie als "militärische Ziele",
weil sie falsche Informationen über die Festnahme eines Mitglieds der
Urabenos veröffentlicht hätten, und setzte ihnen eine Frist von 24
Stunden zum Verlassen ihrer jeweiligen Städte. (http://t1p.de/ppcm)
Vier Tage zuvor hatte die Verbrecherbande Los Rastrojos zwei
Journalisten in Monteria in der Provinz Cordoba in Flugblättern auf
ähnliche Weise bedroht.
Anfang September sah sich die Zeitungs- und Radiokorrespondentin
Amalfi Rosales zur Flucht aus der Provinz La Guajira gezwungen,
nachdem Unbekannte drei Mal auf ihr Haus schossen. (http://en.rsf.org
/colombia-reporter-forced-to-flee-her-home-05-09-2014,46908.html)
Rosales hatte in jüngster Zeit über die Skandale um zwei hochrangige
Regionalpolitiker berichtet und seit November 2013 Drohungen
erhalten. Die für den Schutz bedrohter Menschenrechtsverteidiger und
Journalisten zuständige Polizeieinheit UNP hatte zwar Kontakt mit ihr
aufgenommen, aber noch nichts zu ihrem Schutz unternommen.
MEHR ALS DOPPELT SO VIELE DROHUNGEN GEGEN JOURNALISTEN WIE 2013
Allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres wurden nach
Angaben des Ombudsmanns für Menschenrechte der kolumbianischen
Regierung (Defensoria del Pueblo) mehr als 90 Journalisten bedroht -
mehr als doppelt so viele wie im Jahr zuvor. (http://t1p.de/3wri)
Solche Drohungen sind eine gängige Einschüchterungsmethode
kolumbianischer Paramilitärs und Drogenbanden.
Reporter ohne Grenzen zählt die Gruppe Los Urabenos wegen
derartiger Methoden zu den schlimmsten Feinden der Pressefreiheit
weltweit. (www.reporter-ohne-grenzen.de/feinde/) Die Urabenos gelten
auch als mutmaßliche Verantwortliche für die Ermordung des
Radiojournalisten Luis Carlos Cervantes am 12. August.
(http://t1p.de/c766) Cervantes hatte mehrfach Verbindungen zwischen
Beamten und dem organisierten Verbrechen in der Region Antioquia
aufgedeckt. Zwei Wochen vor seinem Tod wurde ihm der Polizeischutz
entzogen.
Seit dem Jahr 2000 sind in Kolumbien 56 Journalisten ermordet
worden. (http://en.rsf.org/americas-infographic-the-deadliest-30-09-2
014,47028.html) Der größte Teil dieser Taten ist ungestraft
geblieben. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Kolumbien auf
Platz 126 von 180 Ländern. Weitere Informationen zur Lage der
Pressefreiheit in dem Land finden Sie unter
www.reporter-ohne-grenzen.de/kolumbien/.
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Silke Ballweg / Christoph Dreyer
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F: +49 (0)30 202 15 10-29