(ots) - Zum 25. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer
zeigt Flickr, wie viel Geschichte in Yahoos Foto-Community steckt: In
mehr als zehn Milliarden Bildern aus aller Welt zeigen die
Flickr-Nutzer, wie sie die Welt sehen, an welche Momente und
Stimmungen sie sich erinnern möchten und dokumentieren historische
Momente. Wie genau diese bildlichen Eindrücke im Web unsere
Wahrnehmung von Geschichte - aber auch unsere Visionen der Zukunft -
prägen, erläutert im Interview die Kommunikationswissenschaftlerin
Dr. Christine Lohmeier (http://ots.de/4GwnF). Als wissenschaftliche
Mitarbeiterin an der LMU München und Gastprofessorin an der
Universität Bremen beschäftigt sie sich mit der Frage, welche Rolle
Medien beim Erinnern spielen.
Zum Jubiläum des Falls der Berliner Mauer begegnen uns aktuell
täglich Bild- und Videodokumente, die uns die Zeit der deutschen
Teilung und die Freude der Wiedervereinigung vor Augen führen.
Bilder, die um die Welt gingen, wie der Sprung eines Ostberliner
Grenzsoldaten über den Stacheldraht Richtung Westen, US-Präsident
Ronald Reagan am Brandenburger Tor und Deutsche aus Ost und West, die
auf der Mauer tanzend die Wiedervereinigung feiern, haben sich in
unser Gedächtnis eingebrannt. Bilder prägen die Erinnerung an
Geschichte wesentlich, transportieren Emotionen über Jahrzehnte
hinweg und prägen das kollektive Gedächtnis einer Gesellschaft.
Erinnerungen werden so nicht nur von und für Zeitzeugen bewahrt,
sondern erwachen auch für all diejenigen zum Leben, die Geschehnisse
nicht selbst mit erlebt haben.
Flickr-Gruppe sammelt Fotodokumente seit 1989
Teile der Mauer, die bis vor 25 Jahren Berlin, Deutschland und die
Welt in zwei Teile spaltete, stehen heute noch als mahnendes Denkmal
inmitten der Hauptstadt, sind Touristenattraktion und Motiv zahlloser
Fotografien. Auch auf Yahoos Foto-Community Flickr ist die Geschichte
der Berliner Mauer in tausenden Bildern aus den letzten Jahrzehnten
dokumentiert (http://ots.de/E4i4W). In Zusammenarbeit mit Jetzt.de
(http://ots.de/7SIsK) ruft Flickr seine Community und Fotografen aus
Deutschland in Zusammenarbeit mit Jetzt.de auf, die Geschichte seit
der Wende 1989 zu dokumentieren und ihre Fotos in die dafür
gegründete Gruppe "Die Mauer ist weg - Deutschland 1989-2014"
(https://www.flickr.com/groups/berlin1989-2014) hochzuladen. Die
Motive können dabei über Aufnahmen der Berliner Mauer oder ihrer
Reste hinaus gehen - es kann Street Art sein, die diese Thematik
aufgreift, ein Trabi auf unseren Straßen oder "(n)ostalgische"
Einrichtungen in einem Szene-Cafe. Flickr-Nutzer zeigen, wie sie die
Geschichte der Wiedervereinigung erlebt haben - ganz individuell und
persönlich. Unter allen Fotografen, die Bilder zur Gruppe beisteuern,
werden zweimal je eine Digitalkamera in Retrooptik
(http://ots.de/qMpJ2) verlost.
Interview mit Dr. Christine Lohmeier:
Wie definiert sich das "kollektive Gedächtnis"? Was macht es aus
und warum ist es für eine Gesellschaft wichtig?
Dr. Christine Lohmeier: Das kollektive Gedächtnis ist wie ein
Bewusstsein für eine gemeinsame Vergangenheit. Das kollektive
Gedächtnis kommt z.B. an Gedenk- und Feiertagen zum Ausdruck. Auch
Archive, Museen und Monumente sind Teil und zugleich Ausdruck des
kollektiven Gedächtnisses. Es ist ein entscheidender Aspekt der
gesellschaftlichen Identität und des Selbstverständnisses und ist
keinesfalls nur in Bezug auf historische Rückblicke relevant.
Vielmehr beeinflusst das kollektive Gedächtnis auch Visionen, die für
die Zukunft entwickelt werden - was für machbar, sinnvoll und ethisch
vertretbar gehalten wird und was nicht.
Wie kann das Internet als unser kollektives Gedächtnis
funktionieren? Gibt es unserer Erinnerungskultur eine neue Gestalt?
Dr. Christine Lohmeier: Das Internet funktioniert nicht als
kollektives Gedächtnis. Es mag vielleicht eine Form des Archivs sein
- wobei fraglich ist, wie lange was gespeichert wird und wer über
Daten verfügen kann.
Es sind die Interaktionen - posten, teilen, hochladen, etc. - die
im Web 2.0 und auf Fotoplattformen wie Flickr sowohl eine
individuelle Erinnerungsarbeit - also eine bewusste
Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und den eigenen Erinnerungen
- als auch eine kollektive Erinnerungskultur ermöglichen. Das
Internet eröffnete veränderte Formen der Erinnerungsarbeit - so kann
ich jetzt mit einer Person, die auf einem anderen Kontinent lebt,
z.B. ein gemeinsames Fotoalbum erstellen. Die Erinnerungskultur ist
durch das Web 2.0 grenzüberschreitender geworden und erlaubt
einzelnen Usern aktiv dazu beizutragen. Dies bedeutet jedoch nicht,
dass das Internet unbedingt eine demokratische Teilhabe an der
Erinnerungskultur fördert. Hier gibt es klare Unterschiede - nicht
alle haben die gleichen Chancen und die technischen und ökonomischen
Vorrausetzungen zur Erinnerungskultur beizutragen.
Wie kann eine Erinnerungskultur im Web gerade jungen Menschen
Geschichte nahe bringen?
Dr. Christine Lohmeier: Junge Menschen stoßen im Web auf
Informationen zu einem historischen Ereignis, die sie eventuell zur
weiteren Recherche und zum Austausch mit anderen anregen. Dadurch
entsteht Erinnerungskultur, die im Web auch praktiziert und stets neu
verhandelt werden kann. Erinnerungskultur lebt von der
Auseinandersetzung mit Geschichte, dem eigenen Erlebnissen und den
Erlebnissen und Erinnerungen anderer Menschen. Das Web macht durch
Texte, audiovisuelles Material und Bilder eine sehr anschauliche
Darstellung historischer Ereignisse und Erinnerungen an diese
möglich. Allerdings sind mediatisierte Erinnerungen nur ein Aspekt in
der Auseinandersetzung mit dem Vergangenen. Auch Orte, Emotionen,
persönliche Gespräche und Gegenstände prägen unser Verständnis von
Vergangenheit und die Erinnerungskultur.
Wir wirken Bilder auf unsere Erinnerung? Wie wichtig sind Bilder
für die Wahrnehmung von Geschichte?
Dr. Christine Lohmeier: Die meisten Menschen nehmen einen Großteil
der nötigen Informationen visuell auf. Fotos und Filmaufnahmen
sprechen uns unter anderem deswegen sehr an, weil wir viele
Informationen über eine historische Situation durch aussagekräftiges
Bildmaterial erfahren können. Manche Fotografien oder Filmaufnahmen
werden sogar zu Ikonen eines bestimmten Ereignisses oder einer Epoche
- man denke z.B. an den Mitschnitt, der den Moment zeigt, als am 9.
September 2001 das entführte Flugzeug in den zweiten Twin Tower
fliegt oder an Aufnahmen der Maueröffnung.
Sehr eindrückliche Bilder historischer Ereignisse erinnern uns
nicht nur an das Geschehnis selbst, sondern sind verwoben mit der
eigenen Biographie. So erinnern sich die meisten Menschen sehr genau,
wo und in welcher Situation sie gerade waren, als sie vom Angriff auf
die Twin Towers oder von der Maueröffnung erfahren haben. Bilder
können somit zu Erinnerungsobjekten werden, die kollektive als auch
individuelle Erinnerungen auslösen und die eigene Biographie mit
historischen Ereignissen in Verbindung setzen.
Ãœber Yahoo
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