(ots) - Angela Merkel hat eine Engelsgeduld bewiesen mit
Wladimir Putin. 36-mal telefonierte sie mit ihm seit Aufflammen des
Ukraine-Konflikts. Unermüdlich erklärte die Kanzlerin, man dürfe den
Gesprächsfaden zum Kreml nicht kappen. Die Krise lasse sich nur
miteinander überwinden, betonte Merkel auch dann noch tapfer, als
Putin sie wieder einmal hinhielt. Nun ist ihr offensichtlich der
Kragen geplatzt. Die klare Ansage an die Adresse Putins bedeutete für
Merkels Verhältnisse geradezu einen Gefühlsausbruch. Gleichwohl waren
ihre Worte - nur Stunden nach dem ernüchternden Gipfel von Brisbane -
zielgenau platziert. Die Botschaft: Mit Putin lässt sich, zumindest
zurzeit, nicht gedeihlich verhandeln. Er bleibt stur auf
Konfrontationskurs zum Westen. Und Moskaus Politik gefährdet den
Frieden in Europa. Putin ist mit der gesamten geopolitischen Lage
unzufrieden. Er sieht Moskau, das einstige Zentrum der sowjetischen
Weltmacht, an den Rand gedrängt. Und das will er ändern. Die Annexion
von Teilen der Ukraine könnte nur der Auftakt sein zur Umsetzung
weiterer Expansionsgelüste. Merkel, nicht eben bekannt für
Panikmache, malt nun das Schreckensbild eines von Putin entzündeten
Flächenbrandes an die Wand: Zuerst die Ukraine, dann Moldawien,
Georgien, Serbien . . . Bemerkenswert ist, dass die frühere
DDR-Bürgerin Merkel Russlands ehemaligen Vasallenstaat als mahnendes
Beispiel anführt: Alles hört auf Moskaus Kommando - das habe man 40
Jahre gehabt und dahin wolle sie nicht wieder zurück. Deutlicher kann
man eine politische Mahnung kaum formulieren, will man nicht alle
Brücken einreißen. Und das wird Merkel nicht tun. Sie, die des
Russischen mächtige Ostdeutsche, galt im westlichen Lager lange als
Putin-Flüsterin, die den Kremlchef zur Vernunft bringen könne. In
dieser Rolle, die letztlich ein Zerrbild war, ist sie gescheitert.
Gleichwohl wird Merkel Putin nicht komplett isolieren; denn die
Einschätzung, dass eine Lösung nur mit Moskau gelingen kann, bleibt
ja richtig. Es wird bald ein 37. Telefongespräch geben - trotz allem.
Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 - 804 6519
zentralredaktion(at)waz.de