(ots) - Aus Sicht des NABU ist die Einschleppung der
Vogelgrippe durch Wildvögel unwahrscheinlich. Ein viel größeres
Risiko für die Verbreitung des Virus sei vielmehr in
Massentierhaltungen sowie den weltweiten Transporten von Tieren und
Futtermitteln zu suchen. In den vergangenen Tagen wurde ein
hochpathogener Geflügelpest-Virus, auch häufig als "Vogelgrippe"
bezeichnet, in je einem industriellen Geflügelhaltungsbetrieb in
Mecklenburg-Vorpommern, den Niederlanden und Großbritannien
festgestellt. In den ersten beiden Fällen handelt es sich um den
Virus-Stamm H5N8, der bisher nur in Ostasien, vor allem in Südkorea
verbreitet war. Für den Fall in Großbritannien steht die genaue
Bestätigung des Stammes noch aus.
Das erneute Auftreten der Vogelgrippe in Deutschland weckt
Erinnerungen an den ersten Ausbruch im Februar 2006, der damals vom
Erreger-Stamm H5N1 verursacht wurde. Damals wie heute wurden sehr
schnell wilde Zugvögel als wahrscheinliche Überträger des Virus
beschuldigt, begründet lediglich durch das Vorhandensein vogelreicher
Feuchtgebiete in der Umgebung der betroffenen Betriebe und bisher
fehlende Hinweise auf andere Infektionsquellen.
"Die aktuellen Umstände der Ausbrüche in den drei europäischen
Geflügelmastanlagen lassen die Übertragung durch ziehende Wildvögel
nach Ãœberzeugung des NABU als extrem unwahrscheinlich erscheinen. Es
gibt keine direkten Vogelzugwege zwischen Ostasien wie China und
Südkorea und Westeuropa. Es ist also nicht möglich, dass ein mit
einer hochpathogenen Virus-Form infizierter Vogel direkt von dort
nach Europa geflogen ist", sagte NABU-Vogelschutzexperte Lars
Lachmann. Theoretisch denkbar wäre es, dass infizierte Wildvögel sich
an Kreuzungen des Vogelzugs gegenseitig anstecken könnten. Auf diese
Weise könnte das Virus über mehrere Zwischenstationen nach Europa
gelangen. In diesem Fall müsste es aber Vogelgrippe-Ausbrüche an
Konzentrationspunkten des Vogelzugs zwischen Ostasien und Westeuropa
geben. "Darauf gibt es jedoch in diesem Fall keinerlei Hinweise".
Laut NABU hat die Erfahrung des Ausbruchs von 2006 gezeigt, dass
das hochpathogene H5N1-Virus nur in toten Wildvögeln, niemals aber in
großen Zahlen getesteten lebenden Wildvögeln nachgewiesen wurde.
"Damit ist es unmöglich, dass ein infizierter Wildvogel vor seinem
Tod noch weite Strecken zurücklegen kann und das Virus über große
Distanzen verschleppen kann", so Lachmann. Bruteier und Eintagsküken
hingegen reisen weltweit um ein Tausendfaches häufiger herum als
Zugvögel und haben weitaus besseren Zugang zu Ställen als Wildvögel.
Daher sei die Ursache für die Verbreitung des H5N8-Virus eher bei den
Praktiken und Warenströmen der modernen Geflügelhaltung zu suchen als
bei ziehenden Wildvögeln.
Auch nach dem Ausbruch 2006 setzte sich unter Experten die
Erkenntnis durch, dass die weltweite Verbreitung des Virus kaum durch
Wildvögel verursacht werden konnte. Die Welternährungsorganisation
FAO hat bereits 2007 zum H5N1-Erreger angemerkt, dass viele
Virologen Ursache und Ursprung der hochpathogenen Form der
Vogelgrippe in der industriellen Geflügelzucht- und
‑produktion sehen, von wo sie dann auf Wildvögel übersprang.
Zwar kann laut FAO ein Eintrag durch Wildvögel nicht ausgeschlossen
werden, aber ursächlicher für die Ausbreitung des Virus wurden
"Importe von Geflügel und kontaminierte Schalen und Transportkisten
von Bruteiern sowie die Verbreitung durch Arbeiter und Geräte"
angesehen.
Auch das Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), Deutschlands
Bundesforschungsanstalt für Tiergesundheit, benennt den Tierhandel
als wesentlichen Risiko-Faktor. In seiner Broschüre zu hochpathogenen
Vogelgrippe-Viren wird darauf hingewiesen, dass in seltenen Fällen
"Geflügelpesterreger auch aus zunächst nur gering pathogenen Viren
entstehen, die bei Wildvögeln, insbesondere Wasservögeln, weltweit
verbreitet sind. Nach Ãœbertragung von gering pathogenen
Influenzaviren des Subtyps H5 oder H7 auf Hausgeflügel kann das Virus
durch Veränderung seines Erbgutes die krankmachenden Eigenschaften
sprunghaft steigern und zum Ausbruch der Geflügelpest führen."
Ausführliche Infos:
http://www.nabu.de/tiereundpflanzen/voegel/vogelgrippe/
Pressekontakt:
Lars Lachmann, NABU-Vogelschutzexperte, Tel. +49 (0)30.284984-1620,
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