PresseKat - Reporter ohne Grenzen fordert Freilassung der chinesischen Journalistin Gao Yu

Reporter ohne Grenzen fordert Freilassung der chinesischen Journalistin Gao Yu

ID: 1137959

(ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert die sofortige
Freilassung der chinesischen Journalistin Gao Yu. Die 70-Jährige
wurde Ende April wegen "Weitergabe von Staatsgeheimnissen" verhaftet
und ist seither im Gefängnis. Am Freitag soll in Peking ihr Prozess
beginnen.

"Ein unter Zwang aufgezeichnetes vermeintliches Geständnis vor
Prozessbeginn im Fernsehen auszustrahlen, spricht jeglicher
Rechtsstaatlichkeit Hohn und ist unerträglich für ein führendes
Mitglied der internationalen Gemeinschaft", sagte ROG-Geschäftsführer
Christian Mihr.

Gao Yu gehört zu den renommiertesten Journalisten Chinas und wurde
mehrmals mit internationalen Auszeichnungen geehrt. Die 70-Jährige
war in der Vergangenheit unter anderem stellvertretende
Chefredakteurin der von Dissidenten herausgegebenen Economics Weekly.
Zuletzt hat sie als freie Autorin für verschiedene
Internetveröffentlichungen und Rundfunksender gearbeitet, darunter
auch die Deutsche Welle. Gao gilt als gut in die Dissidentenszene
vernetzt. Zwei Wochen nach ihrem Verschwinden am 24. April wurde sie
Anfang Mai im chinesischen Staatsfernsehen CCTV mit einem
erzwungenen Schuldeingeständnis vorgeführt (http://t1p.de/b9f7).

Gao hat die Staatsanwaltschaft aufgefordert, das Geständnis nicht
im Prozess zu verwenden. Bei einer Voranhörung am vergangenen Montag
machte sie laut ihrem Anwalt geltend, sie habe es nur aufgrund von
Drohungen gegen ihren Sohn Zhao Meng abgelegt (http://t1p.de/ipcj).
Auch Zhao war unter dem Vorwurf des Verrats von Staatsgeheimnissen
verhaftet worden, kam jedoch Ende Mai wieder frei.

Die Behörden werfen Gao vor, sie habe sich ein geheimes
Parteidokument verschafft und an eine Webseite im Ausland
weitergegeben. Dabei dürfte es sich um das sogenannte Dokument Nr. 9
handeln, das vor den Gefahren universeller Menschenrechte und eines




"westlichen" Verständnisses von Pressefreiheit für die Herrschaft der
Kommunistischen Partei warnt (http://t1p.de/hzad). Die fragliche
Publikation bestreitet jedoch, das Dokument von Gao erhalten zu
haben. Die Festnahme Gaos reiht sich in eine Repressionswelle vor dem
25. Jahrestag der gewaltsamen Niederschlagung der Studentenproteste
von 1989 ein; drei Tage nach ihrem Verschwinden hätte sie an einer
Gedenkveranstaltung teilnehmen sollen.

Gao saß schon in der Vergangenheit mehrmals in Haft: Als
Unterstützerin der Proteste von 1989 wurde sie kurz vor der
gewaltsamen Niederschlagung der Bewegung verhaftet und verbrachte
danach 15 Monate im Gefängnis. 1993 kam sie - schon damals wegen
Verrats geheimer politischer Dokumente - für mehr als sechs Jahre in
Haft.

HARTES VORGEHEN GEGEN DISSIDENTEN UND KRITISCHE JOURNALISTEN

Die chinesische Führung unter Staats- und Parteichef Xi Jinping
ist in den vergangenen Monaten mit neuer Härte gegen Dissidenten und
kritische Journalisten vorgegangen (http://t1p.de/hpud). Auf
internationale Empörung stieß etwa die Verurteilung des uigurischen
Bloggers und Wirtschaftswissenschaftlers Ilham Tohti zu lebenslanger
Haft wegen "Separatismus". Tohti setzte sich mit seiner Webseite
Uighurbiz.net seit 2005 für den Dialog zwischen der muslimischen
Minderheit und den Han-Chinesen ein und war weithin als gemäßigte
Stimme anerkannt (http://t1p.de/a74m). Insgesamt sitzen in China
derzeit mindestens 29 Journalisten und 74 Blogger wegen ihrer Arbeit
in Haft - so viele wie in keinem anderen Land der Welt.

Mit massiver Zensur hat die chinesische Regierung seit Ende
September die Berichterstattung über die sogenannten
Occupy-Central-Proteste in Hongkong unterdrückt. So gut wie keine
chinesische Zeitung berichtete über die Demonstrationen für mehr
Demokratie. Fotos, Links und Mitteilungen in den sozialen Netzwerken
wurden noch weitaus schärfer zensiert als Berichte zum 25. Jahrestag
des Massakers am Platz des Himmlischen Friedens - dem bislang am
schärfsten unterdrückten Thema (http://t1p.de/g737). Beim
Kurznachrichtendienst Weibo wurden Begriffe wie "Hongkong", "Polizei"
und "Sonnenschirm" unterdrückt. Das soziale Netzwerk Instagram, auf
dem sich leicht Fotos und Videos teilen lassen, wurde blockiert -
Facebook, Youtube und Twitter sind es längst.

Reporter ohne Grenzen hat zuletzt auch die Kooperation der
Deutschen Welle mit dem chinesischen Staatsfernsehen CCTV kritisiert
und an DW-Intendant Peter Limbourg appelliert, die Zusammenarbeit
aufzukündigen (http://t1p.de/50v1). CCTV ist Teil der staatlichen
Verwaltung für Radio, Film und Fernsehen und Teil des staatlichen
Repressionsapparates gegenüber kritischen Journalisten
(http://t1p.de/b075).

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht China auf Platz 175 von
180 Ländern. Weitere Informationen zur Situation der Journalisten in
dem Land finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/china/.



Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Christoph Dreyer
presse(at)reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de
T: +49 (0)30 609 895 33-55
F: +49 (0)30 202 15 10-29


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Datum: 20.11.2014 - 11:09 Uhr
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