(ots) - Welche Rolle spielen Menschen mit Behinderung in
unserer Gesellschaft? Einmal im Jahr, am internationalen Tag der
Menschen mit Behinderung, wird flächendeckend auf sie aufmerksam
gemacht. Doch wie sieht es in der restlichen Zeit für immerhin mehr
als 9% der gesamten Bevölkerung aus, die in Deutschland als
schwerbehindert gelten? Findet Inklusion so, wie es die
Behindertenrechtskonvention vorsieht, statt? "Es ist ein laufender
Prozess.", stellt Irini Tsangaveli, Ergotherapeutin und Vorsitzende
der Landesgruppe Hessen des DVE (Deutscher Verband der
Ergotherapeuten e.V.) fest. Sie findet, dass - blickt sie auf die
letzten zwei Jahre zurück - eine Veränderung im Sinne von mehr
Inklusionsmaßnahmen wahrzunehmen ist. Aber gerade was den Einsatz von
Ergotherapeuten angeht meint sie: "Es ist noch viel Luft nach oben."
"Hinter dem Begriff der 'Behinderung' verbergen sich mannigfaltige
Beeinträchtigungen: zeitlich begrenzte bis dauerhafte, körperliche
und/ oder geistige Behinderungen mit mehr oder weniger ausgeprägten
Schweregraden.", zeigt die Ergotherapeutin Irini Tsangaveli die große
Bandbreite dieses Themas auf. Nicht alle Menschen mit Behinderung
haben diese von Geburt an. Wer beispielsweise nach einem Unfall oder
einer Erkrankung auf Gehhilfen oder einen Rollstuhl angewiesen ist,
bekommt eine ganz neue Perspektive und Verständnis für das Thema
Behinderung und Inklusion. Denn der Alltag stellt sich plötzlich
völlig anders dar. Hürden, Barrieren, Unerreichbarkeiten in
vielfältigster Art und Weise tauchen auf oder besser gesagt waren
auch vorher da. Aber eben nur für Menschenmit Behinderung spür- und
sichtbar.
Inklusion: ein förderliches Umfeld schaffen - und zwar für alle
Im Zuge der Inklusion besuchen Kinder mit Behinderung inzwischen
gemeinsam mit anderen Gleichaltrigen die Regelschule. Ziel und
Wirkung: Die kommenden Generationen haben keine Berührungsängste,
wachsen damit auf, dass Menschen mit Behinderung etwas
Selbstverständliches sind. Um die Akzeptanz auch bei den Eltern zu
verbessern und gleichzeitig die Entwicklung aller Kinder optimal zu
fördern, schlägt Irini Tsangaveli vor: "Es wäre vernünftig und
mittelfristig auch wirtschaftlicher, Ergotherapeuten fest in jedes
Schulteam aufzunehmen." Das ist durchaus nachvollziehbar. Denn
Ergotherapeuten sind im Gesundheitswesen an erster Stelle zu nennen,
wenn es um den Umgang mit Menschen mit Behinderungen und die
Bewältigung des (Schul)Alltags geht. "Ergotherapeuten wissen, wie
sich bestimmte Behinderungen oder Einschränkungen im Alltag
auswirken. Wir erarbeiten mit unseren Klienten, wie sich diese
Auswirkungen ausgleichen oder beheben lassen und fördern dadurch den
Inklusionsprozess.", verdeutlicht Tsangaveli ihre Kompetenz auf
diesem Gebiet.
Denn dies ist eines der Ziele der Ergotherapie beim Thema
"Behinderung": Die Umweltbedingungen verbessern und den Menschen mit
Behinderung so nehmen und akzeptieren, wie er ist. Da heißt es
Barrieren abbauen, Hindernisse aus dem Weg räumen und zwar im
physischen ebenso wie im übertragenen Sinne, sprich: das soziale
Umfeld überzeugen und einbeziehen. Im Gesamtpaket der Inklusion
erscheint daher die Idee, Ergotherapeuten fest ins Schulteam der
Regelschule zu integrieren, aus mehreren Gründen sinnvoll. Zunächst,
um das Miteinander zu erleichtern. Aber auch wegen der positiven
Nebeneffekte: Vor Ort können Ergotherapeuten Entwicklungsdefizite bei
vermeintlich gesunden Kindern früh erkennen und behandeln. Und somit
fände Förderung tatsächlich für alle Kinder statt, die Zustimmung zur
Inklusion würde verstärkt.
Typisch Ergotherapeuten: Die inneren Werte erkennen und anerkennen
Doch wie sieht es bei erwachsenen Menschen mit Behinderung aus?
Ist Inklusion in den Betrieben angekommen? "Ich weiß, dass es
mittlerweile mehr Unternehmen gibt, die - anstatt einfach die
geforderte Ausgleichszahlung zu leisten - erkennen, dass Inklusion am
Arbeitsmarkt funktionieren kann und entsprechend qualifizierte
Menschen mit Behinderung einstellen.", äußert sich die
Ergotherapeutin Tsangaveli, gesteht aber im selben Atemzug, dass dies
vermutlich noch immer eine deutliche Minderheit sei. Dabei wollen
Menschen mit Behinderung durchaus produktiv sein, bei der Arbeit
Anerkennung finden. Und das nicht nur in Werkstätten für Menschen mit
Behinderung. Was es heißt, für eine "richtige" Firma zu arbeiten,
erfassen alle Menschen mit Behinderung, auch die mit einer geistigen
Behinderung. Für sie ist es, ebenso wie für jeden anderen Menschen,
eine unglaubliche Aufwertung, fest angestellter Mitarbeiter in einem
Betrieb zu sein. Doch wie kann diese Facette der Inklusion in der
Leistungsgesellschaft, in der wir leben, funktionieren?
Frau Tsangaveli empfiehlt, die ergotherapeutische Brille
aufzusetzen. "Wir messen den Fähigkeiten und Ressourcen, über die
unsere Klienten verfügen, eine zentrale Bedeutung zu - beim
Behandlungskonzept ebenso wie beim Umgang miteinander. Wenn ich
erkenne, welche Stärken ein Mensch besitzt, dann sehe ich die an
erster Stelle und nicht die Behinderung.", ist ihre plausible
Erklärung dieser typisch ergotherapeutischen Sichtweise. Wenn
Inklusion also wirklich funktionieren soll, erfordert dies neben dem
konsequenten Einsatz von Experten wie Ergotherapeuten den Willen und
die positive Einstellung eines jeden Einzelnen gegenüber Menschen mit
Behinderung. Nur so können sie tatsächlich Teil der Gesellschaft in
allen Bereichen werden.
Informationsmaterial zum Thema Menschen mit Behinderung und
Inklusion sowie den weiteren Behandlungsfeldern der Ergotherapie
erhalten Interessierte bei den Ergotherapeuten vor Ort; diese sind
über die Therapeutensuche im Navigationspunkt "Service" des DVE
(Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.) auf www.dve.info zu
finden.
Pressekontakt:
Angelika Reinecke, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit des DVE e.V.
Telefon: 033203 - 80026, E-Mail: a.reinecke(at)dve.info