(ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert die
mexikanischen Behörden auf, die zahlreichen Angriffe auf Journalisten
bei den Protesten gegen die mutmaßliche Ermordung von 43 Studenten zu
untersuchen und zu verfolgen. Seit Anfang November wurden bei den
Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei mindestens 21
Journalisten verletzt, einige davon durch gezielte Angriffe aus den
Reihen der Demonstranten wie auch der Polizei.
"Diese Häufung von Angriffen zeigt auf erschreckende Weise, wie
alltäglich in Mexiko Gewalt gegen Journalisten ist, die über
Demonstrationen berichten", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr.
"Die mexikanischen Behörden müssen jeden einzelnen dieser Angriffe
untersuchen und die Verantwortlichen - gleich ob Demonstranten oder
Polizisten - zur Rechenschaft ziehen."
Allein bei Protesten in Mexiko-Stadt in der vergangenen Woche
wurden nach ROG-Informationen mindestens 14 Journalisten verletzt
(http://t1p.de/8nun). Während einige zufällig Opfer der
Ausschreitungen zwischen Demonstranten und Polizei wurden, wurden
andere gezielt attackiert.
VON POLIZISTEN GEWÃœRGT, KAMERAS ABGENOMMEN
Der AP-Fotograf Eduardo Verdugo etwa berichtete, als er die
Festnahme einer Gruppe von Jugendlichen beobachtet habe, sei er von
einem Zivilpolizisten geschubst worden. Mehrere Polizisten hätten ihn
dann aufgefordert, ihnen seine Kameras zu übergeben. "Obwohl ich mich
als ordentlich akkreditierter Journalist auswies, warfen sie mich zu
Boden", sagte Verdugo. "Einer der Polizisten erdrosselte mich fast,
und ich sagte ihm, dass ich kaum Luft bekomme. Schließlich ließ ich
meine Kameras los." Die Polizisten hätten die Kameras mitgenommen;
eine Beschwerde bei der Polizei sei folgenlos geblieben.
Eduardo Miranda vom Magazin Proceso berichtete, als eine
Demonstration am 20. November in Ausschreitungen gekippt sei, habe er
zu fotografieren begonnen. Dabei habe er gesehen, wie ein Polizist
etwas auf ihn geworfen und ihn getroffen habe; sein rechtes Bein sei
so stark verletzt worden, dass es genäht werden musste. Maria Idalia
Gomez von der Webseite Eje Central machte mit ihrem Handy Fotos von
einer Demonstration, als eine Gruppe Maskierter sie angriff und zu
Boden warf. "Ich versuchte, meine Ausrüstung zu schützen, und brach
mir dabei mein linkes Handgelenk", sagte sie. "Ich bin mir sicher,
dass ich herausgegriffen wurde, weil sie gesehen hatten, wie ich
Fotos von den Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten
machte."
Mindestens sieben Journalisten wurden am 11. November bei
Ausschreitungen in Chilpancingo angegriffen, der Hauptstadt des
Bundesstaates Guerrero, in dem die 43 Studenten verschwanden
(http://t1p.de/t9i0). Carlos Navarrete Romero von der Zeitung El Sur
Acapulco wurde nach eigenen Angaben von Polizisten mit Steinen
beworfen und getroffen, obwohl er sich eindeutig als Journalist
ausgewiesen habe. Zwei andere Pressefotografen, Sebastian Luna und
Anwar Delgado Peralta, versuchten Romero zu schützen und wurden dabei
selbst verletzt. Am Tag darauf demonstrierten Journalisten
mexikanischer und internationaler Medien vor dem Sitz der
Staatsregierung und verlangten ein Ende der Angriffe auf
Medienschaffende.
ALLEIN IN DIESEM JAHR SIEBEN JOURNALISTEN ERMORDET
Mexiko ist für Journalisten das gefährlichste Land auf dem
amerikanischen Kontinent: Seit dem Jahr 2000 wurden dort mehr als 80
Medienschaffende ermordet (http://t1p.de/w96a). Die Hintergründe sind
nicht immer geklärt, aber in allen Fällen erscheint ein Zusammenhang
mit der Arbeit der Opfer als sicher oder sehr wahrscheinlich. Meist
erregten sie Anstoß, weil sie über Behördenversagen und
Machtmissbrauch, Menschenrechtsverletzungen, Drogengeschäfte und
Korruption recherchierten.
Allein in diesem Jahr sind schon sieben Journalisten in Mexiko
ermordet worden, darunter der Radiomoderator Atilano Roman, der im
Oktobr während einer Live-Sendung vor den Ohren seiner Zuhörer
erschossen wurde (http://t1p.de/qmou). Im jüngsten Fall wurde Antonio
Gamboa Urias vom investigativen Magazin Nueva Prensa im Bundesstaat
Sinaloa entführt und 13 Tage später von Kugeln durchsiebt gefunden.
Sein Magazin berichtet häufig über Korruption und Kriminalität, und
Urias selbst hat sich aktiv an Protesten gegen ein geplantes Gesetz
beteiligt, das solche Berichte erschweren würde. Dennoch sperrt sich
die örtliche Staatsanwaltschaft dagegen zu untersuchen, ob seine
Ermordung mit seiner Arbeit als Journalist zusammenhängt
(http://t1p.de/kjuz).
Internationale Schockwellen löste der Mord an der
Bürgerjournalistin Maria del Rosario Fuentes Rubio aus
(http://t1p.de/kjao), die per Twitter anonym Informationen an den
Online-Informationsdienst Valor por Tamaulipas
(https://twitter.com/ValorTamaulipas) geliefert hatte. Dieser
berichtet trotz eines von einer Verbrecherbande ausgesetzten
Kopfgelds von 45.000 Dollar über Gewalttaten im Bundesstaat
Tamaulipas und füllt damit eine Lücke, die durch die Selbstzensur
traditioneller Medien entstanden ist, die die Vergeltung der
Kriminellen für unliebsame Berichte fürchten.
Anfang November zeichnete ROG die mexikanische Reporterin Sanjuana
Martinez als Journalistin des Jahres 2014 aus, weil sie trotz
Drangsalierungen und Todesdrohungen über Themen wie den sexuellen
Missbrauch von Frauen und Kindern oder über den Drogenhandel
recherchiert (http://t1p.de/hrv1).
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Mexiko auf Platz 152
von 180 Ländern. Weitere Informationen zur Lage der Journalisten in
Mexiko finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/mexiko/.
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