(ots) - Amnesty zieht 30 Jahre nach UN-Antifolterkonvention
ernüchternde Bilanz: In vielen Staaten steht das Folterverbot nur auf
dem Papier / Amnesty ruft zu mehr Hilfe für syrische Flüchtlinge auf
Zum diesjährigen Tag der Menschenrechte ruft Amnesty International
die Staatengemeinschaft zu einem entschlossenen Vorgehen gegen Folter
auf. Am 10. Dezember 1984 - dem Tag der Menschenrechte - ist die
UN-Antifolterkonvention verabschiedet worden. "30 Jahre nach ihrer
Verabschiedung muss die UN-Antifolterkonvention endlich mit Leben
gefüllt werden", sagte Maria Scharlau, Expertin für internationales
Recht bei Amnesty International auf einer Pressekonferenz in Berlin.
Aktuelle Amnesty-Berichte zeigen, dass Folter trotz des
völkerrechtlich zwingenden Folterverbots weiterhin auf jedem
Kontinent alltäglich ist. In 141 Ländern hat Amnesty in den letzten
fünf Jahren Folter und Misshandlung dokumentiert.
"Folter ist ein unmittelbarer Angriff auf die Menschenwürde",
stellt Scharlau fest. "Der Kampf gegen Folter ist daher zentral für
jegliche Menschenrechtsarbeit." Aufgrund der aktuellen Konflikte
befürchtet Amnesty, dass Menschenrechtsstandards wie das absolute
Folterverbot in Frage gestellt werden. "Auch angesichts der aktuellen
dramatischen Situationen in der Ukraine, Syrien und im Irak müssen
wir die langfristige und präventive Menschenrechtsarbeit im Blick
behalten", sagt Maria Scharlau. "Maßnahmen gegen Folter tragen zu
gesellschaftlichem Frieden bei und beugen gewaltsamen Konflikten vor.
Folter - und ihre Rechtfertigung - führt dagegen zu einer Verrohung
der Gesellschaft."
"Oft geschehen Misshandlungen im Namen der nationalen Sicherheit.
Hier war die Rechtfertigung von Folter durch die USA im 'Krieg gegen
den Terror' ein negatives Signal", sagt Scharlau. "In den meisten
Fällen ist Folter aber ein Mittel der Polizei, Geständnisse zu
erpressen und so vermeintliche Ermittlungserfolge vorzuweisen."
In ausführlichen Berichten dokumentiert Amnesty Folter,
beispielsweise in Mexiko und auf den Philippinen. "Philippinische
Polizisten nutzen Misshandlungsmethoden wie Elektroschocks,
vorgetäuschte Hinrichtungen, Waterboarding, Schläge und
Vergewaltigung. Sie foltern vor allem, um Geständnisse von
mutmaßlichen, oft jugendlichen Straftätern zu erpressen", sagt
Scharlau. "2009 haben die Philippinen ein vorbildliches
Anti-Folter-Gesetz verabschiedet, seither wurde aber kein einziger
Beamter aufgrund dieses Gesetzes verurteilt. Diese Straflosigkeit für
Folterer ist leider typisch: Auch in Mexiko ist Folter verboten, aber
die Zahl der Folterfälle ist offenbar in den letzten Jahren noch
gestiegen. Nur sieben Personen wurden in Mexiko jemals wegen Folter
vor Bundesgerichten verurteilt."
Amnesty fordert auch Deutschland zu einem konsequenten Handeln
auf. "Bisher ist zum Beispiel die Nationale Stelle zur Verhütung von
Folter, die Hafteinrichtungen überprüfen soll, völlig
unterfinanziert. Damit macht sich Deutschland als Verfechter der
Menschenrechte international unglaubwürdig", stellt Scharlau fest.
"Auch in der internationalen Zusammenarbeit ist die Bundesregierung
gefordert." Zum Beispiel müsse das Sicherheitsabkommen, das gerade
mit Mexiko ausgehandelt wird, auf den Prüfstand. "Deutschland darf
sich nicht zum Komplizen einer folternden Polizei machen", so
Scharlau.
Mit Blick auf die syrischen Flüchtlinge fordert Amnesty dringend
mehr Unterstützung für die Nachbarstaaten und mehr Aufnahmeplätze in
Europa. "Die syrische Flüchtlingskrise ist eine der größten Tragödien
dieses Jahrhunderts", sagt Ruth Jüttner, Amnesty-Expertin für den
Mittleren Osten und Nordafrika. "Fast die Hälfte der syrischen
Bevölkerung ist durch Gewalt und Terror entwurzelt. Die Staaten in
der Region haben 95 Prozent der Flüchtlinge aufgenommen. So ist im
Libanon jeder vierte Bewohner des Landes mittlerweile ein syrischer
Flüchtling." Die internationale Gemeinschaft habe die Nachbarstaaten
bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise im Stich gelassen. "Anfang
Dezember hat das UN-Welternährungsprogramm die Vergabe von
Nahrungsmittelhilfe an syrische Flüchtlinge gestoppt, weil das Geld
fehlt. Den syrischen Flüchtlingen steht ein harter Winter mit
katastrophalen Folgen bevor, wenn die finanziellen Mittel für
humanitäre Hilfe nicht schnell und massiv aufgestockt werden", warnt
Jüttner.
Auch bei der Aufnahme schutzbedürftiger syrischer Flüchtlinge habe
die internationale Gemeinschaft bisher versagt. "Die Bilanz der EU
ist beschämend! - Der Libanon hat in den vergangenen drei Jahren über
700 Mal so viele syrische Flüchtlinge aufgenommen wie die gesamte
EU", stellt Jüttner fest. "Um noch größeres Leid zu verhindern sind
jetzt zwei Dinge vordringlich: Deutlich mehr Unterstützung für die
Nachbarstaaten und deutlich mehr Aufnahmeplätze für syrische
Flüchtlinge!"
Für Interviewwünsche oder Rechercheanfragen wenden Sie sich bitte
an die Pressestelle. Unter folgendem Link finden Sie ein
ausführliches Dossier zum Thema Folter: http://bit.ly/1ot9OlT.
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