ZASTROW-Interview für "Die "Welt"
(pressrelations) -
Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Holger Zastrow gab "Die Welt" (Dienstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte THORSTEN JUNGHOLT:
Frage: Herr Zastrow, nach dem Debakel bei der Bundestagswahl will Christian Lindner neuer FDP-Chef werden. Ist er der richtige Mann?
ZASTROW: Er selber möchte, die Partei möchte ihn, also soll er auch die Chance bekommen, die FDP nach seinen Vorstellungen zu prägen.
Frage: Hätten Sie sich Auswahl gewünscht, also einen ernst zu nehmenden Gegenkandidaten?
ZASTROW: Wettbewerb ist immer gut. Auch in der Partei. Aber man muss zur Kenntnis nehmen, dass das Amt derzeit nicht so viele wollen.
Frage: Sie haben inhaltlich auf vielen Politikfeldern andere Vorstellungen als Lindner. Warum treten Sie nicht an?
ZASTROW: Ich bin kein Berufspolitiker. Ich führe Partei und Fraktion in Sachsen, bin Vorsitzender der Dresdner Stadtratsfraktion und habe mein eigenes Unternehmen zu leiten. In "Friedenszeiten" bekommt man das gut unter einen Hut. Aber in einem sächsischen Superwahljahr gehört es zu meiner Verantwortung, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Frage: Aber Sie treten wieder als stellvertretender Bundesvorsitzender an?
ZASTROW: Nein. Ich habe entschieden, mich für den Moment komplett aus der Bundesführung zurückzuziehen. Ich werde mich jetzt zu 100 Prozent auf Sachsen konzentrieren. Wir haben als erstes Bundesland nach der Bundestagswahl Landtagswahlen, davor Kommunalwahlen. Das ist eine große Aufgabe: Wir wollen für die ganze FDP mit einem herausragendem Ergebnis im Freistaat die Wende einleiten und beweisen, dass schwarz-gelbe Mehrheiten eine Zukunft haben. Wenn uns das gelingt, zahlt das mehr auf das Konto der FDP ein, als wenn ich einen Sitz im Vorstand habe.
Frage: Das lässt sich auch anders verstehen: als Flucht aus der Verantwortung.
ZASTROW: Es ist das Gegenteil. Ich war Teil der Führung in den letzten Jahren, also trage ich Mitverantwortung für das schlechte Ergebnis bei der Bundestagswahl. Auch wenn ich immer für einen fundamental anderen Kurs der Partei gekämpft habe - ich habe mich am Ende nicht durchgesetzt. Es irritiert mich eher, dass offenbar nicht alle, die jetzt kandidieren, über ihre persönliche Verantwortung beispielsweise für die gescheiterte Steuerreform, die falsche Energiewende oder die Durchsetzungsschwäche gegenüber dem alten Koalitionspartner nachgedacht haben.
Frage: Scheuen Sie die inhaltliche Auseinandersetzung mit Lindner?
ZASTROW: Nein. Aber ich finde, er hat nun die Chance verdient, die Partei umfassend nach seinen Ideen zu entwickeln. Ich werde meine Ideen in Sachsen umsetzen. Was in Berlin passiert, spielt für uns künftig keine so große Rolle mehr. Wir haben hier immer eine sehr eigenständige Politik gemacht, die sich von der Bundes-FDP deutlich unterschieden hat - und künftig wohl noch deutlicher unterscheiden wird.
Frage: Aber Sie haben Erfahrung in der außerparlamentarischen Opposition, haben Ihre Landespartei von 1,1 Prozent in die Regierung geführt. Kann die Bundespartei davon nicht lernen?
ZASTROW: Man kann das, was wir machen, nicht ohne Weiteres auf andere übertragen. Aber ein Ratschlag lautet: In der Apo hat man eine geringe politische und mediale Relevanz. Wenn man also nicht vergessen werden will, muss man sich bemerkbar machen. Das gelingt nur durch Konzentration auf einige Kernthemen und rhetorische Zuspitzung. Ich sage immer: Apo ist Machete statt Florett, Stammtisch statt Talkshow und Straße statt Feuilleton. Hans Müller aus Grimma liest nun mal nicht die Kulturteile der überregionalen Medien. Die außerparlamentarische FDP darf kein elitärer Klub sein, sondern muss raus zu den Bürgern und vor Ort Kärrnerarbeit leisten.
Frage: Lindner will Maß und Mitte halten, setzt auf Substanz statt Effekte. Ist das falsch?
ZASTROW: Ach, dagegen ist ja nichts zu sagen. Der Kern ist doch: Die FDP hat sich in den letzten Jahren durch, nett gesagt, eine zu große Meinungsflexibilität ausgezeichnet. Aber wir brauchen eine klar erkennbare Haltung, die Bestand hat gegen tagespolitische Stimmungen. Aus der Apo kommt man nicht mit großen philosophischen Debatten, sondern mit klar erkennbaren Inhalten. Mit einem Markenkern.
Frage: Ist die Partei einig, was dieser Markenkern ist?
ZASTROW: Nein, die Partei ist mit sich selbst noch nicht im Reinen. Um nicht falsch verstanden zu werden: Wir sind keine Einheitspartei, wir müssen nicht alle einer Meinung sein. Wir brauchen ganz im Gegenteil eine Vielfalt, wie wir sie auch von den Volksparteien kennen. Aber es gibt ein paar Grundsätze und Überzeugungen, bei denen man nicht wackeln darf.
Frage: Zum Beispiel wo?
ZASTROW: Für mich gehört dazu die Entlastung der berufstätigen Mitte. Das ist keine Verengung auf ein Thema, wie jetzt viele sagen, sondern ein Alleinstellungsmerkmal. Es geht um nicht weniger als das Selbstbestimmungsrecht der Bürger über ihr eigenes Geld und die Frage, wem wir mehr vertrauen: dem Staat und seiner Bürokratie oder jedem einzelnen Bürger. Von der Euro-Rettung über die Bildungspolitik bis zum Mindestlohn könnte ich da noch einiges aufzählen. Oder die Energiewende: Es war ein Riesenfehler, dass wir uns darauf eingelassen haben. Man kann aus der Atomkraft aussteigen, aber nicht so. Marktwirtschaftliche Vernunft und die Akzeptanz wissenschaftlicher Erkenntnisse sind so ein Markenkern der FDP, den wir auch im Angesicht der Emotionen von Fukushima hätten verteidigen müssen.
Frage: Der Euro-Rebell Frank Schäffler kandidiert für das Präsidium. Lindner will ihn nicht dabei haben. Wählen Sie ihn?
ZASTROW: Ich schon. Ich glaube auch, dass er die Mehrheit der sächsischen FDP auf seiner Seite hat. Einer liberalen Partei tut jemand wie Schäffler gut.
Frage: Lindner will auch einen Vertreter der Kommunalpolitik im Präsidium und schlägt die Düsseldorfer Bürgermeisterin Marie-Agnes Strack-Zimmermann als Vizevorsitzende vor. Eine gute Wahl?
ZASTROW: Kommunales ist wichtig, die Kommunen sind unser Herz. Aber ich hätte erwartet, dass der Blick in dieser Frage Richtung Osten geht. Ich weise darauf hin, dass von den 6000 kommunalen Mandaten der FDP in Deutschland allein rund 590 aus Sachsen stammen, darunter 27 Bürgermeister. Thüringen hat noch mehr, auch Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern sind auf diesem Feld stark. Und nicht umsonst hat die FDP in meiner Heimatstadt Dresden das beste Kommunalwahlergebnis geholt.
Frage: Lindner will sich am Ergebnis der Bundestagswahl 2017 messen lassen. Ist das ambitioniert genug?
ZASTROW: Also, ich finde: Das ist ganz schön viel Einarbeitungszeit.
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