(ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) kritisiert die
landesweiten Razzien in der Türkei. Die Polizei hat am Sonntag mehr
als 20 Personen festgenommen, unter ihnen drei Journalisten, darunter
den Chefredakteur der Zeitung Zaman, Ekrem Dumanli. Die Redaktionen
mehrerer Medien wurden durchsucht.
"Die Razzien sind ein herber Schlag gegen die Pressefreiheit in
der Türkei. Präsident Erdogan zeigt einmal mehr, dass er Pluralismus
und unabhängige Medien missachtet", sagt ROG-Geschäftsführer
Christian Mihr in Berlin: "Wir fordern die türkische Regierung dazu
auf, die festgenommenen Journalisten unverzüglich freizulassen. Das
einzige Vergehen, dessen sie sich schuldig gemacht haben, ist, eine
von der Regierung abweichende Meinung zu vertreten."
Die Razzien fanden in 13 türkischen Städten statt. Insgesamt
wurden 31 Haftbefehle erlassen. Angeordnet wurden die Razzien von
einem einzigen Richter, sie basierten in allen Fällen auf sehr vagen
Verdachtsmomenten. (http://bbc.in/1wS3w2O) In Istanbul blockierten am
Sonntagmorgen rund 2000 Demonstranten den Zugang zu den
Redaktionsräumen der Zeitung Zaman, die dem islamischen Prediger
Fetullah Gülen nahesteht, einem politischen Gegner von Präsident
Erdogan. Die Polizei konnte das Gebäude deswegen zunächst nicht
betreten. Am Nachmittag kehrten die Beamten zurück, durchsuchten die
Redaktionsräume und verhafteten Chefredakteur Dumanli.
VORWURF: MÖGLICHER UMSTURZ
Nach Angaben seines Anwalts wird ihm vorgeworfen, eine
Organisationsstruktur mit dem Ziel aufgebaut zu haben, die
Souveränität der türkischen Regierung auszuhebeln. Festgenommen
wurden auch der Leiter des Fernsehsenders Samanyolu, Hidayet Karaca
sowie mehrere Produzenten und Autoren. Da sie in erster Linie für
eine fiktionale Fernsehserie arbeiteten und nicht als Journalisten,
die Informationen verbreiten, führt ROG sie in der Zählung nicht auf.
(http://bit.ly/1uEUzSS) Die Aktion war zuvor durch einen mysteriösen
Twitter-Nutzer namens Fuat Avni bekannt geworden. Er warnte davor,
dass rund 400 Personen festgenommen werden sollten, darunter 150
Journalisten.
DRUCK AUF JOURNALISTEN
Schon im November und Dezember wurden 15 Journalisten unter
anderem wegen Verleumdung und Beleidigung angeklagt. Alle hatten
Artikel über den Korruptionsskandal geschrieben, in den auch
Präsident Erdogan verwickelt ist.
Bereits in den vergangenen Jahren ist Präsident Erdogan massiv
gegen die Medien vorgegangen. Im Oktober waren drei deutsche
Fotojournalisten in der Stadt Diyarbakir im Südosten der Türkei
festgenommen worden, wo sie über Demonstrationen im syrischen
Grenzgebiet berichtet hatten. Auch an anderen Orten der Türkei wurden
Berichterstatter von Demonstranten wie auch von der Polizei
angegriffen und teils verletzt. http://bit.ly/1BHRFCB
ERDOGANS EINFLUSS AUF DIE MEDIEN
Erdogan hat während der vergangenen Jahre seinen Einfluss auf
Teile der Medienlandschaft massiv ausgedehnt. Am 16. Juni dieses
Jahres etwa verbot ein Gericht in Ankara allen türkischen Medien,
über die Entführung von 80 türkischen Bürgern im Nordirak durch die
islamistische Terrororganisation ISIS zu berichten. Bei Verstößen
drohten Bußgelder oder ein temporärer Lizenzentzug für Radio und
Fernsehsender. Der unabhängige türkische Presserat rügte während des
Wahlkampfes vor den Präsidentschaftswahlen im August dieses Jahres,
der öffentlich-rechtliche Rundfunk Turkish Radio and Television
Corporation (TRT) räume Erdogan zu viel Sendezeit ein und ignoriere
die politischen Gegner.
VORÃœBERGEHENDE SPERRUNG VON TWITTER UND YOUTUBE
Auch das Internet und die sozialen Netzwerke werden kontrolliert
und eingeschränkt. Mitte März ließ Erdogan vorübergehend Twitter und
YouTube in der Türkei blockieren und hob die Sperre erst nach der
Entscheidung des türkischen Verfassungsgerichts auf, das sie als
"illegal" einstufte. Am 19. Februar dieses Jahres unterzeichnete
Staatspräsident Abdullah Gül zudem ein Internetgesetz, das die
Sperrung von Webseiten zunächst ohne Gerichtsbeschluss ermöglicht.
Die zuständige Behörde für Telekommunikationsaufsicht kann seither
Blogs, Nachrichtenportale und andere Internetmedien blockieren. Ein
Richter hat bis zu 48 Stunden Zeit, um die Entscheidung zu
bestätigen.
Auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit belegt die Türkei Platz
154 von 180 Ländern. Weitere Informationen über die Lage der Medien
finden Sie unter https://www.reporter-ohne-grenzen.de/t%C3%BCrkei/.
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Silke Ballweg / Christoph Dreyer
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