(ots) -
Ein Seebeben der Stärke 9 im Indischen Ozean verwandelt zahlreiche
Küstenbereiche in Katastrophengebiete. Ganze Landstriche werden unter
den Wassermassen des Tsunamis begraben. Insgesamt 230.000 Menschen
fallen der verheerenden Flutwelle zum Opfer - 170.000 davon allein in
Indonesien. 1,7 Millionen werden obdachlos. Eine Katastrophe, die
auch vor Ort arbeitende große Hilfsorganisationen wie die
SOS-Kinderdörfer vor nie dagewesene Herausforderungen stellt.
Es ist kurz vor acht Ortszeit, als sich die Wellenberge, ausgelöst
durch das Seebeben im Indischen Ozean, auftürmen und auf das Festland
Indonesiens zurollen. Die Provinz Aceh ist die erste, die den
Wassermassen zum Opfer fällt. "Meine Mutter war in der Küche. Ich
wollte an diesem Morgen draußen spielen gehen. Auf einmal gab es ein
starkes Erdbeben und wir rannten raus, " erinnert sich die damals
7-Jährige Mistahuna Jannah. "Plötzlich riefen die Leute etwas von
Flut und alle rannten Richtung Landesinnere."
In den nächsten 1,5 Stunden reißen die 10 Meter hohen Wellen
allein in der indonesischen Provinzhauptstadt Banda Aceh über 30.000
Menschen in den Tod. Über 800 Kilometer Küste werden zum Teil
kilometerweit bis ins Landesinnere hinein verwüstet, komplette
Gemeinden ausgelöscht.
"Das Wasser kam und es stieg immer weiter. Ich rannte mit meinem
Bruder und meiner Mutter weg. Dann erfasste mich die Welle und ich
wurde weggerissen", erzählt Mistahuna Jannah. Die Kleine verliert
durch den Tsunami ihre Mutter und ihren Bruder. Im SOS-Kinderdorf
Banda Aceh, eines von dreien in der Region, die für Tsunami-Waisen
gebaut werden, findet sie später eine neue Familie.
Nachrichten treffen schleppend ein
Während die Todeswelle weiter rauscht und Menschen in den
Küstengebieten Thailands, Sri Lankas, Indiens, den Malediven und
Somalias in den Tod reißt, feiert der Rest der Welt noch Weihnachten.
Erst nach und nach treffen die ersten Nachrichten und Bilder aus den
Katastrophengebieten in den Wohnzimmern ein.
"Als mir das Ausmaß der Katastrophe klar wurde, dachte ich sofort
an die Kinder in Banda Aceh", sagt der Leiter der SOS-Kinderdörfer in
Indonesien, Gregor Nitihardjo. "Es gab nur wenige Infos über die Lage
im Katastrophengebiet." Es herrscht Bürgerkrieg in der Region.
Dennoch bricht Nitihardjo in das von Rebellen kontrollierte
Scharia-Gebiet auf. "Trotz des Desasters wollte uns das Militär erst
nicht durchlassen. Es dauerte drei Tage bis wir die Menschen
erreichten."¬ Was das SOS-Team in Banda Aceh vorfindet, übertrifft
die schlimmsten Vorstellungen: Trümmer, Tote, Leichengeruch. Vor Ort
konzentrieren sich die Helfer auf die Evakuierungslager. Kümmern sich
um traumatisierte Kinder, verteilen Hilfsgüter und bauen eine
Übergangsunterkunft für Tsunami-Waisen auf.
Auch Sri Lanka funkt SOS
In Sri Lanka kommt die tödliche Welle erst Stunden nach Indonesien
an. "Das Meer vor der Küste war anders an dem Tag. Die Wellen
schlugen wütend an den Strand. An Fischen war nicht zu denken und ich
warnte meine Familie, sich vom Wasser fern zu halten", erinnert sich
ein Fischer aus Kayankerny auf Sri Lanka.
Als der Tsunami Sri Lanka mit voller Wucht trifft, richtet er
auch hier Zerstörungen historischen Ausmaßes an. Alle waren völlig
überfordert - Regierung, Hilfsorganisationen, Privatleute. "Wir waren
vor Ort, hatten gute Netzwerke", erzählt Ananda Karunarathne, Leiter
der SOS-Kinderdörfer in Sri Lanka. "Aber bis dahin hatten wir noch
keine große Erfahrung in Sachen Nothilfe. Wir halfen sofort und
lernten jeden Tag unsere Lektionen. Wir verteilten Wasser,
Nahrungsmittel, Kleidung und bauten eine medizinische Station auf mit
Ärzten aus den naheliegenden Kinderdörfern".
Vor dem Nichts
Nachdem sich das Wasser zurückgezogen hat, stehen die Menschen in
den Katastrophengebieten stehen vor dem Nichts. Doch die weltweite
Hilfsbereitschaft ist riesig. Allein SOS unterstützt 23.000 Menschen
mit Soforthilfe. Mit Hilfe von Freiwilligen baut die Organisation
knapp 270 Übergangsunterkünfte auf und hilft Familien durch die
Finanzierung von neuen Häusern, Booten, Möbeln etc. beim Aufbau einer
neuen Existenz. In Thailand, Indonesien und Indien entstehen im Laufe
der Zeit sechs neue Kinderdörfer, wo Waisen nach den Schrecken des
Tsunamis mit Hilfe von Betreuern und Psychologen wieder ins Leben
zurückfinden.
Am zehnten Jahrestag nach der Jahrhundertkatastrophe erinnert an
den betroffenen Orten kaum noch etwas an das Desaster. Die
wirtschaftlichen Auswirkungen auf Fischerei und Tourismus sind
überwunden und vielerorts sind modernere Strukturen entstanden. Neue
Schulen mit Computerzentren, stabilere Häuser mit sanitären Anlagen
oder Frauen, die mit kleinen Geschäftsideen vermehrt zum
Familieneinkommen beitragen können, haben die Regionen voran
gebracht. Trotzdem bleiben auch zehn Jahre danach natürlich Narben -
vor allem bei den Kindern, die ihre Eltern verloren.
Film abrufbar unter:https://www.youtube.com/watch?v=qc0EoS6tbZE
Audio abrufbar unter:
http://www.medienkontor-audio.de/beitraege/sos-kinderdoerfer
Weitere Informationen:
Louay Yassin
Pressesprecher
SOS-Kinderdörfer weltweit
Tel.: 089/179 14-259
E-Mail: louay.yassin(at)sos-kd.org
www.sos-kinderdoerfer.de