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NOZ: Interview mit Jürgen Falter, Parteienforscher

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(ots) - Parteienforscher Falter: Überleben der AfD hängt
an Parteichef Lucke

Experte sieht Partei der Euro-Kritiker innerlich tief zerrissen -
Auch Parteichefs Merkel und Gabriel unter Druck

Osnabrück.- Aus Sicht des Mainzer Parteienforschers Jürgen Falter
machen inhaltliche Differenzen der Alternative für Deutschland (AfD)
zu schaffen. Allerdings könnte es den Eurokritikern dennoch gelingen,
sich in der Parteienlandschaft zu halten. In einem Interview mit der
"Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag) sagte Falter: "Die AfD hat die
Chance, sich zumindest mittelfristig zu etablieren und auch
bundesweit über fünf Prozent zu kommen. Das hat sie selbst in der
Hand." Es böten sich "zwei Themen an, die sie vereinnahmen" könne, so
Falter: "Einerseits die Eurokrise und die Angst vor deren
langfristigen Kosten. Und andererseits die Einwanderungspolitik.
Damit könnte sie sich im Parteienspektrum längerfristig
positionieren." Die interne Zerrissenheit der AfD jedoch sei ein
Problem, so der Politikwissenschaftler: "Sie ist außenpolitisch
gespalten in Atlantiker und Putinversteher, gesellschafts- und
wirtschaftspolitisch in Neoliberale und Altkonservative. Alles hängt
zurzeit an Parteichef Lucke, er hält die Partei zusammen."

Der schwarz-roten Koalition attestierte der Politikwissenschaftler
von der Gutenberg-Universität in Mainz eine handwerklich saubere
Arbeit: "Sagen wir, sie läuft. Handwerklich ist fast alles in bester
Ordnung, sie arbeitet den Koalitionsvertrag ab. Das ist ja erst
einmal nichts Falsches." Allerdings stünden die CDU-Vorsitzende
Angela Merkel sowie SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel unter Druck: "Der
Pragmatismus, den Angela Merkel als Parteichefin an den Tag legt,
kommt bei den Wählern ausgesprochen gut an. Viele konservative
CDU-Anhänger sind aber gerade damit unzufrieden und wünschen sich




eine stärkere Profilierung der Partei in der Öffentlichkeit und der
Koalition." Daher habe Merkel "auch in den eigenen Reihen nicht nur
Freunde". Die Parteivorsitzende müsse "aufpassen", riet Falter: "Da
es derzeit keinen ersthaften Konkurrenten oder Nachfolger für sie
gibt, treibt sie direkt hinein in das Problem, das auch Kohl hatte:
zu lange am Amt festzuhalten."

Die SPD hingegen "hüpfe etwas auf der Stelle": "Sie verlagert das
Gewicht ständig von links nach rechts und wieder zurück, wie es
gerade so passt." Ein Beispiel sei das umstrittene
Freihandelsabkommen TTIP, das derzeit mit den USA verhandelt wird und
das innerhalb der SPD ebenfalls viele Kritiker hat. "Gabriel als
SPD-Chef hat es schwer. Er versucht, stetig zu wirken, muss aber
permanent zwischen dem linken Flügel und der Mainstream-SPD
vermitteln." Dies liege ihm aber, so Falter.

Die dritte Regierungspartei CSU sei "in keiner sehr komfortablen
Situation", schätzt der Politikwissenschaftler ein. Dies erkläre auch
"das Getöse aus Bayern in Bezug auf einzelne Themen". Das Problem:
Die CSU werde "zum Regieren derzeit eigentlich nicht gebraucht",
sagte Falter. "Daher wird ein gewisses Droh- und Erpressungspotenzial
aufgeboten, mehr als früher." Nebenthemen, etwa die Maut, würden
"heftig angegangen". Dies könne "leicht nach hinten losgehen", warnte
Falter. Die Maut etwa sei "europapolitisch ein Schuss ins Knie".

Trotz der Schwierigkeiten werde die Große Koalition vermutlich
dennoch bis zum Wahljahr 2017 halten, glaubt der Parteienforscher.
"Es gibt keine Alternative - bis auf Neuwahlen, und die will derzeit
niemand. Die SPD ist in den Umfragen wie festgenagelt bei 25 Prozent.
Und kaum jemand will derzeit auf Bundesebene Rot-Rot-Grün riskieren",
sagte Falter.



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Datum: 03.01.2015 - 07:00 Uhr
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