(ots) - Repräsentative Umfrage: Neue gesetzliche Regelungen
zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege werden zwar von weiten Teilen
der erwerbstätigen Bevölkerung als hilfreich eingeschätzt, allerdings
gibt es nach wie vor auch erhebliche Vorbehalte
Die neuen gesetzlichen Regelungen zur besseren Vereinbarkeit von
Familie, Pflege und Beruf sind zum Jahresbeginn in Kraft getreten.
Viele Erwerbstätige in Deutschland stimmen den verabschiedeten
Maßnahmen zu, wie eine aktuelle Untersuchung der Stiftung Zentrum für
Qualität in der Pflege (ZQP) ergab. In einer repräsentativen
forsa-Stichprobe wurden 2000 Berufstätige ab 18 Jahre unter anderem
zu ihren Einschätzungen und Vorbehalten zum Pflegeunterstützungsgeld,
zum Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit sowie zur Freistellung
während der Begleitung eines sterbenden Angehörigen befragt. Die
größte Zustimmung fand das Pflegeunterstützungsgeld, das 89 Prozent
der Befragten als sehr hilfreich einschätzen. 85 Prozent würden diese
Leistung selbst in Anspruch nehmen, wenn sie die Pflege eines
Angehörigen organisieren müssten. Auch das Echo zu den weiteren
Maßnahmen fiel überwiegend positiv aus. 68 Prozent fanden die
Freistellung zur Begleitung im Sterbeprozess prinzipiell gut. Bei der
Familienpflegezeit von maximal 24 Monaten ist immerhin noch rund die
Hälfte dieser Meinung.
Allerdings gibt es auch deutliche Zweifel vor allem an der
Praktikabilität der Familienpflegezeit: Nur knapp jeder Dritte würde
sie in Anspruch nehmen. Dabei spielen finanzielle Gründe die
ausschlaggebende Rolle (84 Prozent). Auch die Angst vor beruflichen
Nachteilen würde immerhin noch 43 Prozent davon abhalten, die
Familienpflegezeit tatsächlich zu nutzen. "Hier ist vor allem eine
andere Unternehmenskultur gefordert, um einen offeneren Umgang mit
dem Thema Vereinbarkeit von Beruf und Pflege zu ermöglichen", sagt
Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender des ZQP.
Gleichzeitig gibt es eindeutige Verbesserungswünsche bezüglich der
neuen Gesetzeslage: 95 Prozent favorisieren einen Rechtsanspruch auf
eine kostenlose, unabhängige und individuelle Beratung für pflegende
Angehörige. "Ein verbindlicher Beratungsanspruch zu den komplexen
Möglichkeiten, Beruf und Pflege miteinander zu vereinbaren, würde die
Regelungen stärken und dazu beitragen, bestehende Ängste und
Vorbehalte der pflegenden Angehörigen abzubauen. Insofern sollte die
Politik dieses Signal nicht übersehen - der Beratungsbedarf muss
gedeckt werden", erklärt Suhr. Nach wie vor bestehen zudem
beträchtliche Ängste, die Übernahme familialer Pflege überhaupt offen
gegenüber dem Arbeitgeber anzusprechen. 64 Prozent nennen die Sorge
um den Arbeitsplatz als hauptsächlichen Grund, die Pflegesituation am
Arbeitsplatz lieber zu verschweigen.
Generell verdeutlicht die Studie einen breiten Konsens in der
Erwerbsbevölkerung, dass die Vereinbarung von Beruf und
Angehörigenpflege einen hohen Stellenwert haben sollte. Demnach
halten es 94 Prozent für wichtig, während der Pflege erwerbstätig zu
bleiben. Ausschlaggebend seien hierfür insbesondere finanzielle
Gründe (86 Prozent). Bei den Möglichkeiten, wie Unternehmen pflegende
Angehörige am besten bei der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege
unterstützen können, wurden durchgehend Maßnahmen zur flexiblen
Gestaltung der Erwerbstätigkeit genannt. Am häufigsten wurden
flexible Arbeitszeitmodelle (88 Prozent), Home Office (75 Prozent)
und individuelle Absprachen (69 Prozent) gefordert.
Die ausführliche Analyse sowie eine Stellungnahme des ZQP zu den
Regelungen finden Sie auf www.zqp.de.
Methoden und Vorgehensweise
In der, dieser Auswertung zugrundeliegenden, anonymen
Bevölkerungsumfrage wurden mittels einer repräsentativen Stichprobe
Einstellungen aus dem Themenbereich "Vereinbarkeit von Pflege und
Beruf" erfragt. Die Stichprobengröße beträgt 2.015 Befragte
(N=2.015). Die Befragung wurde in der Zeit vom 10. bis 21. November
2014 durchgeführt. Die Grundgesamtheit bildeten die Erwerbstätigen ab
18 Jahre, bundesweit, repräsentiert in einem Panel (forsa.omninet)
mit ca. 20.000 Personen. Als Erhebungsmethode kam die
In-Home-Befragung per PC bzw. Set-Top-Box am TV-Bildschirm zum
Einsatz. Anschließend wurde die Personenstichprobe nach Region,
Alter, Geschlecht und Bildung gewichtet. Die statistische
Fehlertoleranz der Untersuchung in der Gesamtstichprobe liegt bei +/-
2 Prozentpunkten.
Hintergrundinformationen zum Gesetz
Für die Organisation und Übernahme der Pflege eines Angehörigen,
sieht das Gesetz ab 1. Januar 2015 folgende Möglichkeiten vor:
Kurzfristige 10-tägige Freistellung mit Lohnersatzleistung:
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben einen Rechtsanspruch auf
eine kurzfristige, maximal 10-tägige Freistellung für die
Organisation einer akut eingetretenen Pflegesituation eines nahen
Angehörigen. Sie erhalten in dieser Auszeit mit dem
Pflegeunterstützungsgeld eine Lohnersatzleistung in Höhe der Leistung
des Kinderkrankengeldes, das von der sozialen Pflegeversicherung
getragen wird. Als Bruttoleistung werden bis zu 90 Prozent des
ausgefallenen Nettoentgelts bezahlt.
Pflegezeit als Rechtsanspruch mit zinslosem Darlehen:
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben einen Rechtsanspruch auf
maximal 6 Monate unbezahlte volle oder teilweise Freistellung von der
Arbeit, um sich um einen pflegebedürftigen Angehörigen zu kümmern.
Zur besseren Absicherung des Lebensunterhalts in dieser Phase haben
sie einen Anspruch auf ein zinsloses, monatsweise ausgezahltes
Darlehen, das sie nach Ende der Pflegezeit in Raten zurückzahlen
müssen.
Familienpflegezeit als Rechtsanspruch mit zinslosem Darlehen:
Beschäftigte haben einen Rechtsanspruch auf eine teilweise
Freistellung von bis zu 24 Monaten, wenn sie einen pflegebedürftigen
nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen. Dabei muss eine
Mindestarbeitszeit von 15 Stunden wöchentlich eingehalten werden. Zur
besseren Absicherung des Lebensunterhalts während der reduzierten
Arbeitszeit haben sie einen Anspruch auf ein zinsloses Darlehen, das
sie nach Ende der Familienpflegezeit schrittweise zurückzahlen
müssen.
Kombination aus Pflegezeit und Familienpflegezeit: Die Pflegezeit
und die Familienpflegezeit können miteinander verzahnt werden und
auch ineinander übergehen. Die Gesamtdauer aller
Freistellungsmöglichkeiten beträgt zusammen höchstens 24 Monate.
Zieht sich die Pflege länger als 24 Monate hin, können mehrere
Angehörige die Pflegezeit oder Familienpflegezeit nehmen -
nacheinander oder parallel.
Begleitung in der letzten Lebensphase: Angehörige haben einen
Rechtsanspruch darauf, in der letzten Lebensphase des
pflegebedürftigen Familienmitglieds drei Monate lang weniger zu
arbeiten oder auch ganz auszusetzen. Sie können so für ihre
Angehörigen auf ihrem letzten Weg da sein. Auch sie haben einen
Anspruch auf das zinslose Darlehen.
Pressekontakt:
Torben Lenz
E-Mail: torben.lenz(at)zqp.de
Tel.: 030 275 93 95-15