(ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert ungehinderte
Arbeitsmöglichkeiten für Journalisten in Sri Lanka. Die Bürger des
asiatischen Landes wählen am (morgigen) Donnerstag einen neuen
Präsidenten. ROG ruft das künftige Staatsoberhaupt dazu auf, sich
dafür einzusetzen, dass Journalisten endlich auch kritische Themen
recherchieren und die Medien diese Artikel ohne Angst vor
Repressalien publizieren können.
"Sri Lanka ist von den Werten der Meinungs- und Pressefreiheit
weit entfernt", sagt ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin.
"Selbstzensur, Kontrolle und Gewalt gehören zum Alltag vieler
kritischer Journalisten. Mit Nachdruck fordern wir Sri Lankas
künftigen Präsidenten dazu auf, Medienvertretern endlich die
Möglichkeit zu geben, auch über Unrecht oder kritische Themen zu
schreiben."
MEDIEN EIN INSTRUMENT IM WAHLKAMPF
Zahlreiche Zeitungen und Fernsehsender in Sri Lanka gehören
staatlichen Institutionen und unterliegen dem direkten Einfluss der
Politik. Im aktuellen Wahlkampf werden viele als Instrument zur
Wählerbeeinflussung missbraucht. So widmen die zum staatlichen
Verlagshaus Associated Newspapers of Ceylon Limited gehörenden
Tageszeitungen Daily News, die auf Englisch schreibt, die
singhalesisch-sprachige Dinamina und die tamilische Thinakaran einen
Großteil ihrer Berichterstattung dem amtierenden Staatspräsidenten
Mahinda Rajapaksa. Seinen Herausforderer Maithripala Sirisena
ignorieren sie so gut wie vollständig.
Die staatlich kontrollierten Fernsehsender Rupavahini und ITN
ergreifen ebenfalls Partei für den Amtsinhaber.
(http://reut.rs/1yIzF7W) Wenn sie Sirisena in ihren Berichten
überhaupt erwähnen, dann auf beleidigende und diskreditierende Weise.
(http://bit.ly/1wvjM7H)
Auch ausländische Journalisten werden in ihrer Arbeit behindert.
Mehreren Korrespondenten, die über die Wahlen berichten wollten,
wurde ein Einreisevisum verweigert, so etwa der
ARD-Hörfunkkorrespondentin Sandra Petersmann mit Sitz im indischen
Delhi. Petersmann hat wiederholt kritisch über Sri Lanka berichtet.
KONTROLLE, REPRESSIONEN UND GEWALT GEGEN JOURNALISTEN
In Sri Lanka selbst müssen unabhängige Journalisten mit
Behinderungen, Repressalien und Gewalt in ihrem Arbeitsalltag
rechnen. Kritische Berichte über die Familie von Präsident Rajapaksa,
über die staatliche Verwaltung oder über die Aufarbeitung von
Kriegsverbrechen, die während des mehr als 20 Jahre dauernden
Bürgerkriegs geschahen, gelten als tabu.
So wurden im Juli vergangenen Jahres tamilische Journalisten, die
einen vom Sri Lanka Press Institute organisierten Workshop besuchten,
bedroht und von Soldaten stundenlang festgehalten. Nachdem der
UN-Menschenrechtsrat die Regierung im vergangenen März zur
Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen während des Bürgerkriegs
aufgefordert hatte und sich vor allem tamilische Journalisten an
Recherchen zu dem heiklen Thema wagten, hatten die Behörden ihre
Repressalien gegen deren Medien verschärft. (http://bit.ly/17fFeEz)
Schon einige Wochen vor dem Vorfall bei dem Workshop hatten
mehrere hundert Soldaten in der Stadt Jaffna das Redaktionsgebäude
der tamilischen Zeitung Uthayan umstellt. Die Zeitung hatte zuvor
eine Sonderbeilage veröffentlicht, die sich den Opfern eines
Massakers der Regierung an der tamilischen Zivilbevölkerung widmete.
Reporter ohne Grenzen zeichnete Uthayan im Jahr 2013 wegen seiner
Berichterstattung als Medium des Jahres aus. (http://bit.ly/1kkxZxO)
INTERNETZENSUR UND REPRESSIVE GESETZE
Auch Nachrichtenwebseiten unterliegen in Sri Lanka staatlicher
Aufsicht und werden über Lizenzvergabe kontrolliert. Seit dem Erlass
neuer Regeln im Dezember 2011 erhielten nur ein Drittel der
Antragsteller die Erlaubnis, mit einer neuen Informationswebseite
online zu gehen. Kritische Onlinepublikationen aus dem In- und
Ausland sind von der Regierung gesperrt, so etwa Colombo Telegraph,
Tamilnet und Lanka News. (http://bit.ly/1yzOv5V) Auch die Betreiber
von Rundfunkanstalten werden mit Lizenzen gegängelt, seit Dezember
2013 sind keine neuen Radio- oder Fernsehlizenzen vergeben worden.
Unabhängige Organisationen wie die Bewegung Free Media Movement
und die Sri Lanka Journalists` Association wurden wiederholt Opfer
von Schmutzkampagnen; ihre Mitarbeiter sind regelmäßig Drohungen
ausgesetzt. Am 21. Dezember wurde Sampath Samarakoon, ein Mitarbeiter
von Free Media Movement und Redakteur der Nachrichtenwebseite
Vikalpa, in der Stadt Hambantota von einer bewaffneten Bande bedroht,
als er an einer friedlichen Demonstration teilnahm.
Ein Anti-Terror-Gesetz aus dem Jahr 1979 schränkt die freie
Meinungsäußerung ein und verbietet zum Beispiel verächtliche
Äußerungen über die Regierung - ein Gummibegriff, mit dem Kritiker
mit bis zu 14 Jahren Haft bestraft werden können. Ein aus dem Jahr
1973 stammendes Gesetz verbietet die Veröffentlichung von
Informationen, die die Bereiche Verteidigungs-, Steuer- und
Sicherheitspolitik betreffen. Ein Presserat, dessen Mitglieder von
der Regierung bestellt sind, wacht über die Einhaltung dieser
Regelung. Verstöße werden mit Gefängnisstrafen oder Sanktionen
geahndet. Diese Kontrollen führen dazu, dass viele Journalisten
Selbstzensur ausüben.
VIELE JOURNALISTEN INS AUSLAND GEFLOHEN
Aufgrund der massiven Bedrohungen sind in den vergangenen Jahren
zahlreiche Journalisten ins Ausland geflohen. Im Jahr 2009 wurden
zwei Medienvertreter getötet, darunter Lasantha Wickrematunga, der
Mitbegründer der englischsprachigen Zeitung The Sunday Leader. Wegen
seiner kritischen Artikel, in denen er unter anderem über Korruption
in höchsten Regierungskreisen schrieb, hatte Wickrematunga mehrmals
Todesdrohungen erhalten. (http://bit.ly/1tLo4ce)
Reporter ohne Grenzen unterstützt das internationale Netzwerk
Journalists for Democracy in Sri Lanka (www.jdslanka.org), das 2009
von Exiljournalisten gegründet wurde, um unterdrückte Informationen
aus Sri Lanka zu verbreiten.
Auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit steht Sri Lanka auf Platz
165 von 180 Ländern. Weitere Informationen über die Lage der
Journalisten in dem Land finden Sie unter
www.reporter-ohne-grenzen.de/sri_lanka/.
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Silke Ballweg / Christoph Dreyer
presse(at)reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de
T: +49 (0)30 609 895 33-55
F: +49 (0)30 202 15 10-29