(ots) - Grüne Bundestagsfraktion fasst Untersuchungsausschuss
ins Auge
Die schwarzgelbe Bundesregierung hat der Atomindustrie offenbar zu
Millionen-Klagen verholfen. Das geht aus einem bisher
unveröffentlichten Briefwechsel hervor, über den das ARD-Magazin
"Monitor" heute berichtet (21.45 Uhr im Ersten).
Darin bittet der damalige RWE-Vorstandsvorsitzende, Jürgen
Großmann, den hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier
ausdrücklich um ein Schreiben, das heute als wesentliche Grundlage
für Schadensersatzklagen der Atomkonzerne dient. Vorausgegangen war
offenbar eine Vereinbarung mit dem damaligen Kanzleramtsminister
Ronald Pofalla.
"Der Brief ist von RWE bestellt worden und die Politik hat
geliefert", sagt Joachim Wieland, Professor für Öffentliches Recht an
der Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. "Ein solcher
Vorgang hat mit Rechtstaatlichkeit nichts mehr zu tun", urteilt der
ehemalige Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit im
Bundesumweltministerium Wolfgang Renneberg. "So sind die
Millionen-Klagen der Atomkonzerne erst möglich gemacht worden".
Bis Ende 2014 haben die Atomkonzerne RWE, E.ON und EnBW ihre
Klagen auf Schadenersatz gegen den Bund und die zuständigen Länder
eingereicht. Die Klagen richten sich gegen die von der
Bundesregierung nach der Atomkatastrophe von Fukushima beschlossene
vorübergehende Stilllegung der ältesten deutschen Atomkraftwerke. Die
Konzerne fordern Schadenersatz in Höhe von rund 882 Mio. Euro.
Gegen das von der Politik verhängte Moratorium hatte RWE im Jahr
2011 vor dem Verwaltungsgerichtshof Kassel geklagt. Zeitgleich hätte
der Konzern sein Atomkraftwerk Biblis B eigentlich wieder ans Netz
gehen lassen können. Dass man das Atomkraftwerk selbst nach Auslaufen
des Moratoriums nicht wieder angefahren hat, begründet RWE nun vor
allem mit dem Schreiben des hessischen Ministerpräsidenten Bouffier,
in dem es heißt, die hessische Atomaufsicht würde im Falle eines
Anfahrens des Kernkraftwerkes "dagegen vorgehen". "Dieser Brief hat
eine Grundlage für die heutigen Schadenersatzforderungen geschaffen",
urteilt Atomrechtsexperte Prof. Joachim Wieland. Auch E.ON und EnBW
begründen ihre Schadenersatzforderungen unter anderem mit diesem
Brief.
Ein bislang geheimes Schreiben, das Monitor vorliegt, belegt nun,
dass der damalige RWE-Chef den hessischen Ministerpräsidenten
ausdrücklich um dieses Schreiben gebeten hatte. Darin heißt es: "Herr
Minister Pofalla sagte mir zu, mir (...) einen schriftlichen Bescheid
zu geben, dass Sie ein evtl. Anfahren verhindern werden. Wann können
wir mit diesem Schreiben rechnen?"
Die atompolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion,
Sylvia Kotting Uhl hält "diese Nähe zwischen Politik und
Energiekonzernen, um den Steuerzahler um sein Geld zu bringen", für
"unglaublich empörend." Die Grüne Bundestagsfraktion fasst angesichts
der Erkenntnisse von MONITOR einen Untersuchungsausschuss im
Deutschen Bundestag ins Auge. Weder Volker Bouffier noch die
Bundesregierung, Ronald Pofalla oder Jürgen Großmann wollten sich auf
MONITOR-Anfragen zu den damaligen Vorgängen äußern.
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